2.3.4.7. Der Eine und das All

Es gibt eine interessante Relation: 1 geteilt durch ∞ ist 0. Dies gilt wohl nur, wenn "0" noch ein wenn auch verschwindend geringer Teil von 1 wäre, und wenn entsprechend "∞" als zwar unendlich große, aber immerhin noch abzählbare Zahl verstanden werden könnte! Es ist sehr verführerisch, auf solche Weise das eine im Weltmaßstab winzige Individuum auf das unendlich große Weltall (oder auf Gott) beziehen zu können: Ich denke die Welt! Selbst dieses "Ich" als ein differenziertes Ganzes ist noch reduzierbar auf das in mir, das immer noch alles objektiv Gewusste und subjektiv Erlebte, und alles eigene Wissen- und Erlebenkönnen hinterfragen kann: die letzthinnige Subjektivität, das "Fünklein" der mittelalterlichen Mystiker. Heute kann ich so etwas nicht mehr ganz ernst nehmen: "Ich selbst gegenüber dem Rest der Welt" klingt schon wie "Theo (alias Marius Müller-Westernhagen!) gegen den Rest der Welt", und selbst ein Theo(s) wirkt dabei ein bisschen lächerlich. Denn wer so denkt und spricht, kann sehr bald damit konfrontiert werden, dass sein Gesprächspartner ihm sagt: "Du bist nicht der einzige, der die Welt denken kann! Auch nicht der erste! Du solltest respektieren, dass schon viele diesen Gedanken hatten, Theo (Gott) eingeschlossen! Und glaub nicht, dass du mich bloß gedacht hast und mich wieder wegdenken kannst! Ich werde es dich spüren lassen, wenn du versuchst, so mit mir umzugehen!" Das ist übrigens eine Kritik, die sich sinngemäß auch gegen den Monotheos richten kann: "Ich lasse mich nicht darauf reduzieren, bloßer Gedanke Gottes ("Es werde ...!) zu sein oder sein "Geschöpf", das er nach seinem Belieben auserwählen oder verwerfen könnte. Da haben wir noch ein Wörtchen mitzureden!"

Wieder auf Gott bezogen kann ich versuchen, die Beziehung zwischen dem einen Gott und dem unendlichen All (dem Allendlichen!) durch eine Schemazeichnung zu verdeutlichen. Ich biete ein paar kleine Veranschaulichungshilfen an, die diese Beziehung zunächst nur formal, noch nicht inhaltlich, zum Ausdruck bringen. Die monotheistisch aufgefasste Beziehung zwischen Gott und Welt läßt sich ganz gut durch einen Kegel wiedergeben:

Der Eine determiniert von oben, als "einsame Spitze", die unendliche Vielheit unter ihm. Man könnte diesen Kegel durch Drehung um die Spitze herum auch zur Kugel erweitern, deren Mittelpunkt wieder einer ist gegenüber der unendlichen Menge von Punkten auf der Kugeloberfläche. Aber mit dieser Verallgemeinerung ginge ein Aspekt verloren, der für die Beziehung zwischen Gott und der Menschheit (als einem Ausschnitt aus der Welt) seit jeher konstitutiv war: Gott ist immer der Höchste, er ist oben, und der Mensch (z.B. Hiob) ist manchmal wirklich ganz unten. Das gibt der Kegel besser wieder als die Kugel. Es gibt jedoch eine noch bessere Veranschaulichung, die eine einsame Spitze mit etwas immerhin Kugelförmigem verbinden läßt, nämlich der von einem Punkt ausgehende volle Tropfen oder die leere Blase:

Beide gehen von einem Punkt aus, insbesondere die Blase ist von diesem wie durch göttlichen Hauch emaniert: Fffff ... ffff! Tropfen und Blase haben nur eine Spitze, alles andere ist Nicht-Spitze, noch nicht einmal Kante. Alles ist irgendwie unmittelbar zur Spitze, ohne selber Spitze zu sein oder Spitze werden zu können. Wenn aber der, der die Blase aufbläst (etwa die Seifenblase am Strohhalm), zu stark oder zu lange bläst, dann platzt die Blase, und hat dann auch keine Spitze mehr. Das leuchtet doch ein! Lesen Sie dazu am besten die so gelungene Parodie von Robert Neumann: Der Golem (nach Gustav Meyrink).