2.3.6.2. Mischehen im Alten Testament (Buch Esra)

An dieser Stelle will ich neu ansetzen und fragen: Wo und wann begegnet uns in der Geistesgeschichte zum ersten Mal die Vorstellung, dass schon die Berührung mit Anderen und Fremden und vor allem die Vermischung mit ihnen etwas Negatives und geradezu Schädliches und Sündhaftes ist? Wo gab es schon ganz früh die Prägung und Verwendung von Begriffen, die das Schändliche einer Mischung zwischen andersartigen Menschen sehr ausdrücklich und überdeutlich zum Ausdruck brachten? Einen wohl sehr frühen Beleg, deutlich über 2000 Jahre alt, habe ich der Bibel, dem Buch Esra aus dem Alten Testament, entnommen, wo meines Wissens erstmals die Mischehe als verwerflich und sündhaft verurteilt wird, jedenfalls lange bevor "Mischehe" von den Nazis als Rassenschande verfemt wurde. Die religiös begründete Abwehr des Fremden und speziell der Mischehe ist ein zentrales Thema im Alten Testament, schon bei Mose, aber von Esra besonders betont. Ich will versuchen, dies mit ausführlichen Zitaten aus dem Buch Esra zu belegen, nachzulesen in den Kapiteln 9, 1 bis 10, 44, in meiner Bibel unter der Überschrift "Esras Kampf für das Gesetz". Ich beginne mit 9, 1-2: Das Verbot von Mischehen (diese Überschrift stammt nicht von mir, sondern ist vom Herausgeber wohl zur Verdeutlichung des Folgenden gewählt worden):

"Das Volk Israel und die Priester und Leviten haben sich nicht ferngehalten von der Bevölkerung des Landes und ihren Gräueltaten, von den Kanaanitern, Hetitern, Perisitern, Jebusitern, Ammonitern, Moabitern, Ägyptern und Amoritern. Sie haben von deren Töchtern Frauen genommen für sich und ihre Söhne. So hat sich der heilige Same (H. Sch.: später sagte man: das reine Blut!) mit den Völkern des Landes vermischt, und die Obersten und Beamten waren bei diesem Treubruch die ersten ... " 9, 11: "Du (unser Gott) hast durch Deine Diener, die Propheten, geboten: Das Land, in das ihr kommt, um es in Besitz zu nehmen, ist ein beflecktes Land; denn die Völker im Land haben es befleckt; in ihrer Unreinheit haben sie es mit ihren Gräueltaten erfüllt, vom einen Ende bis zum anderen. 9, 22: Darum dürft ihr eure Töchter nicht ihren Söhnen als Frauen geben, noch dürft ihr ihre Töchter für eure Söhne nehmen ... Dann werdet ihr stark sein und die Güter des Landes genießen und sie euren Kindern vererben für alle Zeit..." 10, 2: ... Schechanja ... sagte zu Esra: Ja, wir haben unserem Gott die Treue gebrochen; wir haben Frauen aus der Bevölkerung des Landes geheiratet. Doch auch jetzt gibt es noch Hoffnung für Israel: 10, 3: Wir wollen jetzt mit unserem Gott einen Bund schließen und uns verpflichten, dass wir alle fremden Frauen samt ihren Kindern wegschicken nach dem Rat meines Herrn und aller, die das Gebot unseres Gottes fürchten. Man handle nach dem Gesetz! 10, 4: Steh auf! Denn dir (Esra) obliegt die Sache. Wir aber stehen dir bei. Fasse Mut und handle. 10, 5: Da stand Esra auf; er ließ die Obersten der Priester, der Leviten und ganz Israels schwören, nach diesem Vorschlag zu handeln, und sie leisteten den Eid. 10, 9: ... Da versammelten sich nach drei Tagen alle Männer von Juda und Benjamin in Jerusalem ... Das ganze Volk ließ sich auf dem Platz vor dem Haus Gottes nieder... 10, 10: Der Priester Esra stand auf und sagte zu ihnen: Ihr habt dem Herrn die Treue gebrochen: ihr habt fremde Frauen genommen und so die Schuld Israels noch größer gemacht. 10, 11: So legt nun vor dem Herrn, dem Gott eurer Väter, ein Bekenntnis ab, und tut, was er wünscht: Trennt euch von der Bevölkerung des Landes, insbesondere von den fremden Frauen! 10,12: Darauf antwortete die ganze Gemeinde laut: Alles, was du uns gesagt hast, müssen wir tun. 10, 18 - 44: (Liste der Betroffenen): Unter den Priestern fand man folgende, die fremde Frauen geheiratet hatten: (es folgen 112 Namen)... 10,44: Alle diese hatten fremde Frauen geheiratet, sie trennten sich nun von ihren Frauen, auch wenn sie gemeinsame Kinder hatten."

Diese Zitate sprechen für sich, und neben anderen ähnlichen Zeugnissen ist auch von ihnen eine Tradition abzuleiten, vom Judentum auf das Christentum weiter übertragen, die den geschlechtlich-familiären Kontakt mit andersgläubigen Partnern als Beginn der Ablösung vom eigenen Glauben und der Trennung vom eigenen Gott verstand und all dies streng verurteilte. Die Abwehr gegen Vermischung der Reinen und Auserwählten mit den Unreinen und Befleckten hat in späteren Zeiten andere Gründe herangezogen, und einer der wesentlichen weiteren Trennungsgründe war, allerdings erst in den beiden vergangenen Jahrhunderten, die Verschiedenheit der Rassen. Ich will deshalb im Folgenden untersuchen, was "Rasse" eigentlich heißt, wo das Wort herkommt und wie es zunächst ideologisch, später auch biologisch und damit auf seine wissenschaftliche Bedeutung eingeschränkt, verstanden und gebraucht wurde.