2.3.6.7. Haustierrassen

Diese biologischen Grundvoraussetzungen gelten natürlich auch für den Menschen. Auch für ihn ist die Rassereinheit kein biologisch begründbares Ziel, sondern sie ist, wie wir gesehen haben, religiös oder ideologisch abgeleitet von der Forderung nach Reinerhaltung des Glaubens. Auf Hunde bezogen ist Rassereinheit dagegen nur das Zuchtziel einer gehobenen Vereinsmeierei, oft auf Kosten der Gesundheit der Tiere. Dass der reinrassige Deutsche Schäferhund zu Hüftluxationen neigt, ist ein Effekt der Unsitte, zu Ausstellungszwecken Hunde zu bevorzugen, die einen nach hinten abfallenden Rücken haben und dadurch von vorne gesehen wie Denkmalslöwen aussehen und durch die aufrechte Haltung auch quasi menschlicher erscheinen. Bei Wölfen dagegen, von denen die Hunde abstammen, ist die Hinterhand gleich stark wie die Vorderhand oder sogar etwas höher, was die Geschwindigkeit bei der Hetzjagd erhöht, aber bei Rassehunden als Mangel oder Schönheitsfehler bewertet wird. Die Hüftgelenks-Dysplasie tritt beim hochgezüchteten Deutschen Schäferhund relativ häufig in Erscheinung; aber auch Bernhardiner, Boxer, Deutsche Doggen, größere Jagdhunde und Terrier können damit behaftet sein.

Durch das züchterische Eingreifen des Menschen in die Fortpflanzung seiner Haustiere und Nutzpflanzen und durch die dabei praktizierte künstliche Selektion (oft eine ziemlich "unnatürliche Zuchtwahl"!) haben sich bei ihnen die Möglichkeiten zur Rassenbildung erheblich verstärkt, und damit auch die Zahl der anthropogenen Rassen und das Ausmaß ihrer rassischen Unterschiede sehr erhöht. Vor der Domestizierung des Wolfs zum Hund gab es, im Vergleich zu den heutigen Hunderassen, erheblich weniger Wolfsrassen. Sogar die mit dem Wolf verwandten Wildhunde, wie Goldschakal, Kojote, Rothund, Schabracken- und Streifenschakal sind in ihrer äußeren Erscheinung einander so ähnlich, dass nur der Kynologe, der hundekundige Fachmann, sie korrekt auseinander halten kann.

Ganz anders sind die Verhältnisse bei den Haustieren, besonders beim Haushund, der von Menschen schon seit Jahrtausenden, an ihren eigenen Bedürfnissen und Vorlieben orientiert, in alle Richtungen auseinander gezüchtet wurde. Das führte zu allen möglichen und z.T. absonderlichsten Typen von Hunden, vom winzigen Chihuahua über den Nackthund, den Mops und den Dackel, den Windhund und Pudel bis zum riesigen Irischen Wolfshund und zur tapsigen Deutschen Dogge, wobei ich die Zucht zu bisswütigen Kampfmaschinen wie unter Bullterriern und Verwandten am liebsten gar nicht erwähnen würde. Den Zuchtzielen sind kaum Grenzen gesetzt, denn selbst der irgendwann eingeschränkten oder aufgehobenen Vermehrungsfähigkeit eines Zwerghundes kann mit tierärztlichen Hilfen bis zum Kaiserschnitt abgeholfen werden. Mit zunehmender Kenntnis der Biologie ist aber unter manchen Hundezüchtern inzwischen etwas mehr Vernünftigkeit eingekehrt, so auch ein besseres Verständnis dafür, dass die Erhaltung der schon vom Wolf her erblich angelegten positiven Qualitäten des Sozialverhaltens ein wichtiges Zuchtziel bleiben oder wieder werden muss. Denn die Haushunde unterscheiden sich von den Wölfen im Sozialverhalten vor allem darin, dass sie als Begleiter des Menschen im Sinne einer "Pädomorphie" auf einem seelischen Entwicklungsstand stehen geblieben sind, wie er sich beim Wolf bis ins 2. Lebensjahr entwickelt, wenn er noch nicht mit dem Leitwolf konkurrieren muss. Hunde bleiben daher ihr Leben lang etwas kindlicher als erwachsene Wölfe, sie sind anhänglicher und "zahm", was sie ja so sympathisch macht.

Weniger different sind die Katzenrassen, wie ja die Katze überhaupt ihre Eigenständigkeit gegenüber dem Menschen besser bewahren konnte, bis zu dem Punkt, dass es manch einer Katze schon gelungen sein soll, den Menschen zu ihrem Haustier zu machen, der für das Wohlergehen der Katze zu sorgen und zu ihrer Unterhaltung zu dienen hat. Aber beim Nutzvieh, z.B. beim Rind, ging über lange Zeit die anthropogene Rassenbildung bis in alle Variationsmöglichkeiten, bis sie bei der Hochzüchtung auf extreme Milchleistungen an Grenzen stieß, wenn eine zierliche Kuh ihr riesiges Euter nicht mehr tragen konnte. Auch die Konzentration auf wenige Rassen ist inzwischen in ihrer Schädlichkeit erkannt worden, und man beginnt, die letzten Populationen von ursprünglicheren und einfach anderen Rinderrassen und anderen Haustierrassen ausfindig zu machen und zur möglichen Erweiterung des Genpools zu erhalten. So viel zunächst zu den biologischen Grundlagen des Rassenbegriffs. Diese spielten aber bei der Entwicklung der nazistischen Rassenideologie kaum eine Rolle.