Die Rassenideologie der Nazis war viel stärker an den außerbiologischen Spekulationen von Gobineau und H. S. Chamberlain orientiert. Sie als darwinistisch oder auch nur "sozialdarwinistisch" zu bezeichnen, ist daher eine grobe postume Beleidigung Darwins. Denn die führenden Nazi-Ideologen, einschließlich Hitler, hatten von Biologie im Allgemeinen und von der Darwinschen Evolutionstheorie im Besonderen keine blasse Ahnung, wie schon an ihrer Unterscheidung zwischen "arischer" und "semitischer" Rasse zu erkennen war. Denn "Arier" war eigentlich die Bezeichnung für eine indoeuropäische, im engeren Sinne indopersische Sprachengruppe. Die im Norden von Persien, Afghanistan und Indien lebenden arisch sprechenden Menschen sahen wohl eher wie Bin Laden aus als etwa gar wie der blond-blauäugige Reinhard Heydrich, der SS-Führer und Massenmörder. Es gab auch niemals eine "semitische" oder gar "jüdische" Rasse, schon deshalb nicht, weil die Benennung nach Sprachengruppen nichts mit Rasse zu tun hat. Als "semitisch" wurde eine Gruppe von Sprachen bezeichnet, die heute, ausgehend von der Arabischen Halbinsel, wo nahe an deren Westküste die Israeliten, Hebräer oder Juden lebten und heute die Israelis leben, bis zur Atlantikküste von Marokko im Westen und bis zur Küste des Indischen Ozeans in Nordost-Afrika verbreitet ist. Von "semitischer" Rasse der deutschen Juden zu sprechen war aber auch biologisch abwegig, weil ein rassischer Unterschied zwischen deutschen Juden und "nicht-jüdischen" Deutschen auch faktisch biologisch kaum bestand. Beide waren einander überdies in allen möglichen Hinsichten, in Sprache, Kultur, Religion, sogar in Hinsicht auf Rassenmerkmale so ähnlich, dass nur der gelbe Judenstern die Deutschen jüdischer Herkunft als "Juden" kenntlich machen konnte. Ohne dieses Zeichen wären sie gar nicht als "anders" aufgefallen. Die Japaner dagegen, mit denen die Nazis verbündet waren, hätte man ohne weitere Hilfsmittel schon von weitem von Deutschen unterscheiden können. Man kann kulturhistorisch belegen, dass es den Nazis eigentlich gar nicht um Rasse im biologischen Sinn ging, sondern um den Endsieg im Kampf um die Auserwähltheit. Sie selber wollten das auserwählte Volk sein, mit Hitler als dessen Erlöser, was vor allem sein Propagandist Joseph Goebbels selber glaubte und öffentlich bekannte.
Die Auserwähltheit der "arischen" Rasse sah man auch in ihrer Schönheit begründet. Die "arischen" Menschen wurden durchweg als schön und edel aussehende blond-blauäugige Wesen (von denen es ja vielleicht wirklich ein paar gibt!) dargestellt oder phantasiert, ähnlich wie die "Elben" von J.R.R. Tolkien, während im Unterschied dazu, im interrassischen Vergleich, die Juden als die denkbar hässlichsten Menschen dargestellt wurden, vergleichbar den Tolkienschen Orks oder noch übleren Unwesen. Die Zeitschrift "Der Stürmer" überbot sich selber immer wieder mit Karikaturen, in denen "der Jude" als ein Ausbund an Hässlichkeit gezeichnet wurde. Das könnte man natürlich auch in der Gegenrichtung hinkriegen: z.B. rein "nordische" Menschen ausfindig machen, die grob, unproportioniert, ungelenk, feist, strohhaarig, henkelohrig, kleinäugig und wimpernlos, picklig und einfach blöd aussehen, eine fliehende Stirn und schiefgewachsene Zähne und eine schweinchenhaft rosa Haut haben, also wie die Typen, die der österreichische Zeichner Manfred Deix so gerne in seinen Karikaturen darstellt. Aber es wäre wohl ein Fehler anzunehmen, dass alle blond-blauäugigen Menschen so fies aussehen und auch so blöd sind. Ich räume ein, dass solche Formulierungen rassistisch sind, und verwende sie hier nur zur Verdeutlichung des Gemeinten.
Nun gibt es tatsächlich Menschen, die schöner als andere und manchmal sogar hinreißend schön sind, und es gibt andere, die weniger schön und sogar hässlich aussehen, bei Geburtsschäden und Gesichtverletzungen manchmal von abschreckender und bedauernswerter Hässlichkeit sein können. Aber beide Extreme finden wir in allen Rassen und in allen gemischtrassigen Populationen, und eine rassische und zugleich rassige Schönheit kann über alle Rassen hinweg Bewunderung wecken. Die Unterscheidung zwischen eher schönen und eher hässlichen Menschen geschieht also primär innerhalb jeder Rasse und innerhalb jeder gemischtrassigen Population. Sie gehört zu den Faktizitäten, zum einfach Vorfindbaren, und man kann mit ihr dümmlich oder ästhetisierend oder einfach tolerant umgehen. Je schlichter Menschen sind, um so stärker sind sie in ihrem Urteil über andere Menschen davon abhängig, als wie schön er (oder sie) ihnen erscheint, was in der Sozialpsychologie als Halo-Effekt (nach dem Hof des Mondes) bezeichnet wird. Deshalb sind sie so empfänglich für den Starkult gegenüber den im "Casting" sorgsam ausgewählten und von Visagisten kunstvoll hergerichteten Schönheiten der Medien, den weiblichen und den männlichen, und sie halten diese Kunstprodukte dann sogar für insgesamt "nett", "tüchtig", "attraktiv" und was an derlei Positivitäten noch weiter aufzuzählen wäre. Es gibt aber auch Menschen, die durch angeborene Deformationen oder nachträglich, durch Krankheit oder Verletzung, äußerlich so verunstaltet sind, dass einzelne von ihnen den Rekord an Hässlichkeit gewinnen könnten. Im Mittelalter und fast noch bis in die Neuzeit wurden manche solcher Menschen für ein Eintrittsgeld als Monstrositäten vorgeführt. Das ist erfreulicherweise vorbei. Aber hässliche Menschen gibt es immer noch.
Problematisch sind aber nicht solche Faktizitäten, die wir auch ansehen, ansprechen und aussprechen können, ganz ohne "political correctness", sondern entscheidend ist, wie wir damit umgehen, ob wir beispielsweise ein Anderssein, nämlich anderen Glauben, andere Sprache, andere Sitten, andere Rasse, andere Erscheinung, darunter auch Hässlichkeit, als menschliche Minderwertigkeit ausgrenzen, verfolgen oder vernichten, oder ob wir dies alles als Anderssein positiv akzeptieren und mit solchen Menschen freundschaftliche Beziehungen pflegen können. Es ist also nicht das Anderssein selbst, sondern nur die Abwertung des Andersseins das eigentliche Problem, nicht das Fremdsein, sondern die Fremdenfeindlichkeit, nicht die Rasse, sondern der Rassismus.
Umgekehrt wäre es eine Überforderung der Menschen, wenn ihnen abgefordert würde, sogar alle Menschen zu lieben. Ich meine von mir, dass ich ziemlich viele Menschen mag, einige davon habe ich wirklich gern, mehrere habe ich sogar geliebt, aber alle Menschen als Menschen zu lieben, das liegt mir schon etwas fern. Denn es gibt wirklich auch fiese Amerikaner, wahrscheinlich etwa in dem Anteil, wie es fiese Deutsche gibt, und ich traue mir zu, in Amerika ebenso viele nette und liebenswerte Menschen kennen zu lernen, wie ich nette und liebenswerte Deutsche kenne und gekannt habe. Und so ist es auch mit den Rassen und Sprachen und Religionen und Kulturen und anderen Unterscheidungsmöglichkeiten. Wie unter den Amerikanern gibt es auch unter den sehr hässlichen Menschen äußerst liebenswerte Personen, sogar auch unter den besonders gut aussehenden Personen, wenngleich diese manchmal zu einem gesteigerten Narzissmus neigen können, der einem schon auf den Nerv gehen kann.