2.4.8.1.3. Die Neigung der Schizophrenen zur Extremalisierung von Idealen

Es ist den israelischen Autoren Hans und Shulamith Kreitler zu verdanken, an einem reichen empirischen Material, in Gesprächen mit psychiatrischen Patienten gewonnen, auf die Zusammenhänge zwischen Schizophrenie und weltanschaulicher Fehlorientierung hingewiesen zu haben. In ihrem inhaltsreichen Buch "Die weltanschauliche Orientierung der Schizophrenen" (E. Reinhardt, München, 1965) sind sie der Frage nachgegangen, ob ein Zusammenhang zwischen der als Schizophrenie bezeichneten Geisteskrankheit und der weltanschaulichen Orientierung dieser Patienten besteht und worin ein solcher Zusammenhang begründet sein könnte.

Im Unterschied zu einer Vergleichsgruppe seelisch gesunder Menschen neigten die schizophrenen Patienten dazu, weltanschauliche Inhalte extrem zu formulieren, viel zu allgemein ("jede Sexualität ist sündhaft!"), oft sehr verabsolutierend, einseitig oder rigide: "Sie haben einen Hang zu einem eher naiven, dabei starr extremen Idealismus: naiv wegen ihres Glaubens an das Vollkommene und seine Realisierbarkeit, starr durch die unbedingte Beibehaltung auch von unvereinbaren Gegensätzen" (ich ergänze: wo der Kranke die gegensätzlichen Positionen quasi je für sich glaubt, ohne sich mit ihrer Gegensätzlichkeit auseinander zu setzen) "und extrem durch die Verabsolutierung des Ideals...im Widerspruch zu den Gegebenheiten und Anforderungen der Realität. (Das ist) eine Art, sich selbst und die Welt zu sehen, die unlösbare Konflikte schafft" (S. 143 ff.). Die Weltanschauung dieser Kranken zeigt im Übrigen die ohnehin in einer bestimmten Kultur geltenden Ideale und Meinungen, das Ideengut des eigenen Kulturkreises, vereinseitigt und übertrieben (damit auch manchmal verdeutlicht). Wie brave Schüler oder fromme Gläubige nehmen die Schizophrenen die Glaubensaussagen wörtlich und in einer naiven Weise ernst, was sich für sie selber schließlich als schädlich erweist und auch für Andere gefährlich werden kann, wenn der Schizophrene als Fanatiker dazu kommt, seinen kranken Glauben in politische Handlungen umzusetzen.

Wenn ich im Folgenden diesen Fragen im Einzelnen nachgehe, stütze ich mich weitgehend auf die inhaltsreichen Feststellungen und Überlegungen, mit denen die Kreitlers zur Klärung der Frage beigetragen haben, ob ein Zusammenhang zwischen der als Schizophrenie bezeichneten Geisteskrankheit und der weltanschaulichen Orientierung dieser Patienten besteht und worin ein solcher Zusammenhang begründet sein könnte.