2.4.8.1.8. Gegenseitige Unvereinbarkeit extremalisierter Positivitäten

Dass extremalisierte Positivitäten verschiedener Art schließlich miteinander unvereinbar und geradezu unverträglich werden, gilt nicht nur für menschliche Fähigkeiten und Charakterzüge, soweit sie ein und derselben Person zugeschrieben werden. Die gegenseitige Unvereinbarkeit der Extremalisierungen ist auch für Gott, den Monotheos, eine Verlegenheit, etwa wenn ihm mit Recht vorgehalten wird, dass er angesichts des faktischen Elends in der Welt nicht gleichermaßen allmächtig, allwissend und allgütig sein kann. Alle Versuche, Gott gegen diesen schwerwiegenden Vorwurf zu verteidigen, seit alten Zeiten als Theodizee (=Rechtfertigung Gottes) vorgetragen, sind bisher gescheitert und sind weiterhin zum Scheitern verurteilt. Selbst Gott kann sich nicht herausreden, trotz seiner Allwissenheit. Er mag vielleicht noch andere Götter im Himmel überzeugen können, etwa wenn er diese Widersprüche als "Geheimnis" oder "Unerforschlichkeit" hinstellt; aber denkende Menschen können ihm diese vagen Rechtfertigungsversuche nicht abnehmen, denn dazu sind die Menschen selber zu sehr von dem Leid in der Welt betroffen.

Ein weiteres ähnliches Argument gegen die Extremalisierung der Positivitäten geht in folgende Richtung: Es gibt sehr verschiedene Arten, klug zu sein, z.B. könnte jemand sehr urteilsfähig und lebensklug sein, oder aber sehr originell, oder sehr weise, oder aber pfiffig, schlau und raffiniert, oder humanistisch gebildet, lexikalisch kenntnisreich, oder erfindungsreich und genial, oder praktisch und "patent". Es gibt ebenso verschiedene Arten, schön zu sein: z.B. ganz makellos, statuarisch, oder strahlend, hinreißend attraktiv, atemberaubend, oder lebendig, kraftvoll, rassig, oder aber anmutig, lieblich und sogar niedlich. Wenn dagegen Klugheit oder auch Schönheit ins Extrem der Allwissenheit und Überschönheit gehoben wird, dann verlieren sich die gerade aufgezählten einzelnen Eigentümlichkeiten in einer blassen Abstraktion, dann werden Klugheit und Schönheit eines Wesens in ihrem unendlich großen Ausmaß gleichermaßen ... langweilig. Das einzig Spannende und dabei auch echt Politisch-Religiöse an der Extremalisierung ist der maßlos übertriebene Anspruch auf Allmacht. Eben darum geht es eigentlich, alles andere ist inhaltsarme philosophische Verallgemeinerung. So liegt auch dem Gott Jahwe anscheinend gar nichts daran, der Allerschönste zu sein. Man wüsste auch nicht, mit wem er darin konkurrieren könnte. Er will vielmehr primär der all-einzig Allmächtige sein, und verbietet daher den an ihn Glaubenden, andere Götter oder Göttinnen, wie etwa die Göttin der Schönheit oder einen Gott der sexuellen Sinnlichkeit, gar den Pan, neben ihm zu haben.

Ich muss an dieser Stelle meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, wie Menschen in früheren Zeiten die Allmacht Gottes überhaupt als wünschenswert ansehen und als höchsten Wert achten konnten. Hatten manche ihrer Priester und Theologen dabei vielleicht eher ihre eigene möglichst große Macht über andere Menschen im Sinn, oder die in Zukunft überaus große Macht ihres eigenen "auserwählten" Volkes über andere Völker? Für solche Ambitionen müsste man sich heutzutage schämen, und demjenigen, der mit ihrer Realisierung beginnt, müsste man rechtzeitig Grenzen setzen, früher als bei Hitler. Auf Menschen mit Allmachtsanspruch, auch wenn sie diesen auf einen höchsten Monotheos projizieren, um dann die eigenen Machtgelüste von Ihm her legitimieren zu können, müssen wir gut aufpassen und uns rechtzeitig vor ihnen schützen. Und das ist ein Hauptgrund dafür, weshalb wir uns, wie ich meine, auch gegen die Forderung wehren müssen, an den allmächtigen Gott glauben zu sollen. Das war ein längerer Ausflug zuerst in die Psychologie und dann in die Theologie, von dem ich aber wieder zur eigentlichen Fragestellung zurückkehren werde.