Aus den bisherigen Überlegungen ergeben sich Konsequenzen auch für die Behandlung schizophrener Erkrankungen. Einige zumindest subsidiäre Behandlungsansätze sind von den Autoren Kreitler im einzelnen beschrieben worden. In einer Art Gegenprobe zur bisherigen Argumentation, nämlich aus dem positiv veränderten Verhalten der Schizophrenen während der Befragung, konnten sie plausibel machen, dass die in ihrer Extremalisierung pathogenen religiös-weltanschaulichen Orientierungen unter bestimmten Umständen in ihrer akuten Schädlichkeit gemindert werden konnten. Ausgangspunkt für die therapeutischen Bemühungen der Kreitlers war ihre Feststellung, dass die "Patienten ...bei den Interviews über Weltanschauung ... äußerst kooperativ und aufgeschlossen waren" (S. 149). Sie suchten sogar von sich aus das Gespräch über solche Themen, nachdem sie erfahren hatten, dass dies in der Klinik möglich war: "Es war ganz offensichtlich - und manche Kranken sagten es selbst - , dass wir durch die Fragen über ... Weltanschauung ihr Vertrauen gewonnen hatten ... Die Angst der Patienten wurde sichtlich vermindert. Sie sprachen zusammenhängend und verständlich und zeigten mit wachsendem Interesse für das Thema (ein) schnell wachsendes Vertrauen ..." (S. 150). Denn der Schizophrene fühlt sich bedroht durch das, was er nicht einordnen kann und erwartet daher vom Therapeuten vor allem Beistand bei der Suche nach einer ordnungsstiftenden Orientierung. So begann der therapeutische Kontakt praktisch mit einer Erlaubnis, über solche Themen sprechen zu dürfen, mit dem Beweis der Toleranz und dem Geltenlassen von Pluralität. Dementsprechend war das, was der Patient selbst vorbrachte, der Ausgangspunkt für die Gespräche, die aber von psychiatrischer Seite durchaus mit psychotherapeutischer Intention geführt wurden. "Technisch hat es sich ... als vorteilhaft erwiesen, die psychotherapeutische Arbeit mit Klärung und Durcharbeitung der Orientierung (des Patienten) zu beginnen ..." (S. 149). Dazu dienten freie Diskussionen, quasi als hypothetische (Gedanken-)Experimente, in denen eine gedankliche Bewusstmachung erzielt werden konnte, unterstützt durch ein argumentatives Vertreten der Realität (z.B. der möglichen realen Konsequenzen der vom Patienten vertretenen Ideale) durch den Therapeuten (S. 148). Es erschien den Autoren als ratsam, die Durcharbeitung mit der Klärung der grundlegenden Konzepte zu beginnen, teils weil die Veränderung einer Theorie auf den ersten Blick harmloser und weniger folgenschwer erschien als die Änderung einer realen Gewohnheit, teils weil die Änderung der Grundkonzeption den Patienten oft von selbst zum Verständnis ihrer realen Manifestationen in seinem Alltagsleben führt. Als geeignetstes Medium zur therapeutischen Beeinflussung der weltanschaulichen Orientierung erscheint den Autoren die Diskussion, d.h. die direkte Besprechung und logisch-intellektuelle Erörterung der Orientierungen und ihrer lebenspraktischen Folgen (S. 147). Über die Einzelgespräche hinausgehend verhalfen gruppenbezogene Therapietechniken wie das Psychodrama zu einem zwar noch eher spielerischen, aber doch auch schon in Ansätzen realistischeren Ausprobieren einer (bisherigen oder ggf. schon neuen) Haltung und ihrer Folgen, was es erleichtert, dort gewonnene Erfahrungen auch in der außertherapeutischen, wenn auch immer noch innerklinischen Realität umzusetzen.
Wie bei jeder Konfrontation - etwa mit der psychoanalytischen "Grundregel" - ist auch beim Infragestellen einer weltanschaulichen Fehlorientierung mit Widerständen zu rechnen, als Ausdruck der Unsicherheit, die aufkommt, wenn eine altgewohnte Orientierung aufgegeben werden soll, ehe eine andere, neue Orientierung sich auf verlässliche Weise als hilfreicher erweisen konnte. Ein solcher Widerstand setzt spätestens dann ein, wenn eine neugewonnene Erkenntnis unmittelbar eine Änderung der Fehlorientierung nahe legt und neue Handlungsweisen notwendig macht (S. 149). Bevor der Patient aber alte Einstellungen aufgibt, möchte er erst sicher sein, dass die neuen eine bessere Orientierung garantieren, und diese Überprüfung auf ihre Tauglichkeit wird leichter riskiert, wenn unter dem Schutz einer vertrauenswürdigen Person und in der bergenden "Nische" der Klinik, während des "Moratoriums" der Behandlung, die alten Fehlorientierungen zumindest vorübergehend aufgegeben werden können (S. 149). Aber auch gegenüber dem seelisch Kranken kann der Versuch, weltanschauliche Fehlorientierungen psychotherapeutisch zu korrigieren, nie als Diktat, sondern immer nur als Angebot gemeint sein. Ein Angebot, das vom Patienten angenommen und genutzt oder aber, ohne nachfolgende Sanktionen, von ihm abgelehnt werden darf oder verworfen werden kann.