2.4.10.10.2. Die neue Heilslehre: Das Dritte Reich komme!

Im Folgenden soll es um die politische Realisierung dieser Phantasien gehen. Nachdem Hitler Mitte September 1919 in München der von Anton Drexler Anfang Januar 1919 gegründeten „Deutschen Arbeiterpartei“ (DAP) als 555. Mitglied beigetreten war, dauerte es nicht lange, bis er sich in einer öffentlichen Versammlung als Parteiredner bewährte. Joachim C. Fest (Hitler. Eine Biographie. Ullstein, Frankfurt/M., 1973, S. 173) referiert dies sehr anschaulich: „In einem unaufhaltsam sich steigernden Redestrom, dreißig Minuten lang, entluden sich die seit Männerheimtagen in frustrierenden Monologen aufgespeicherten Hassgefühle; wie in einem Ausbruch aus der Wort- und Kontaktlosigkeit der zurückliegenden Jahre überstürzten sich die Sätze, die Wahnbilder, die Anklagen, am Ende ‚waren die Menschen in dem kleinen Raum elektrisiert’, und was er früher ‚ ... einfach innerlich gefühlt hatte, wurde nun durch die Wirklichkeit bewiesen’, jubelnd gab er sich der überwältigenden Erfahrung hin: ‚Ich konnte reden!’ (A. Hitler, Mein Kampf, S. 390 f.)“.

Hitler sah sich sehr bald in einer Schlüsselrolle einer “kleinen Bewegung von sieben Mann“ (die sieben waren ein Ausschuss oder Führungsgremium dieser Partei, Hitler selbst für Propaganda zuständig), was schon die Vorstellung eines Heilands mit seinen ersten Jüngern anklingen lässt, die dann unter seiner Führung eine neue „Bewegung“ ins Leben riefen (Rißmann, S. 73). In Hitlers Erinnerung war deren nun beginnender Weg „bis zur Übernahme der verantwortlichen Regierung am 30. Januar 1933 ... ein so wundersamer, dass nur die Vorsehung ... durch ihren Segen dies ermöglicht haben kann“ (S. 57). Hitler musste seine „Jünger“ aber erst von Zweifeln befreien und von seiner Mission überzeugen, was nicht ohne Rückschläge geschah. Ich erlaube mir den Vergleich, dass auch die Jünger des Jesus nicht von Anfang an überzeugte „Christen“ waren, und dass Jesus sie mehrfach zum Glauben an ihn anhalten musste. Hitler selbst lag dieser Vergleich sehr nahe: „Wir (die junge deutsche Freiheitsbewegung) sind zwar klein, aber einst stand auch (!) ein Mann auf in Galiläa, und heute beherrscht seine Lehre die ganze Welt“. Rißmann (S. 44) kommentiert dies: „Hitler präsentierte sich als Messias, der kämpferisch, vom fanatischen Glauben an die Richtigkeit seiner Ideen erfüllt, den vorbestimmten Weg geht (H. Sch.: ich selber würde eher sagen wollen, dass Hitler sich so erlebte, und dass er, in der reziproken Umkehrung der Aussage, Jesus zu seinem revolutionären Vorgänger machte, zu seinem „Johannes“). Auf seinem Grabe werde dereinst stehen: ‚Ein Mann, der nie versagte, niemals kapitulierte, der nie Kompromisse schloss, der nur ein Ziel kannte und den Weg dahin, der einen großen Glauben hatte, und der Glaube hieß: Deutschland!’. Seine politischen Ziele stilisierte Hitler zur ‚Mission’ (H. Sch.: sie waren seine Mission!). Das Werk, welches Christus angefangen habe, aber nicht beenden konnte, werde er (Hitler) zu Ende führen’. Christi ‚Sehnsucht, Friede den Menschen auf Erden’ zu bringen, verwirkliche er (Hitler) jetzt und in Zukunft ...: Aus ‚dieser Erinnerung heraus haben wir die Notwendigkeit des Kampfes zur Erreichung jenes wahren Friedens zu erkennen, für den jener Große (H. Sch.: Jesus also, fast so groß wie Hitler!) als Märtyrer seiner Idee am Kreuze starb’“.

In diesem Ton geht es in Hitlers Selbstbekundungen weiter, und zwar über eine längere Zeit als Passionsgeschichte, als Leidensweg. Ich gebe Rissmanns Analyse wieder (S. 45): „Im apokalyptischen Taumel einer gefährdeten Welt droht dem Erlöser Gefahr: Die Zeit seiner Passion beginnt: ‚Langsam begann der Leidensweg, nicht mit parlamentarischen Erfolgen gepflastert, sondern mit Blut gekennzeichnet vom ersten Tage bis heute’. Hitler ging ihn ernst, aber entschlossen, wusste er doch: ‚Wer auf dieser Welt versucht, in trüben Zeiten freimütig sein Bekenntnis abzulegen für einen höheren Glauben, der der übrigen Welt nicht genehm war, hat zu allen Zeiten einen Dornenweg gehen müssen’. Die Ankläger waren dieselben, die auch(!) dem ersten Erlöser die Leidenskrone aufsetzten. Denn vor ‚2000 Jahren wurde auch(!) ein Mann denunziert von der gleichen Rasse, die heute überall verleumdet und verlästert ... Der Mann wurde vor Gericht geschleift, und damals hieß es auch(!): Er wiegelt das Volk auf’“. Dieses mehrfache „auch Jesus“ ist verräterisch. Ich selber (H. Sch.) meine, dass diese starke Identifikation mit dem leidenden Erlöser, verbunden mit der schon im Neuen Testament formulierten Anklage gegen die gottesquälerischen und am Ende als Gottesmörder verfemten Juden, ein zentraler Glaubensinhalt des (bei Hitler katholischen) christlichen Glaubensgutes ist. Selbst nach seiner Machtergreifung 1933 verstärkte sich noch „die Neigung Hitlers, seine und die Geschichte der ‚Bewegung’ zu einem gottgewollten Heilsmythos zu stilisieren: wiederum – wie schon in der ’Kampfzeit’ – lehnte er sich an den Leidensweg Jesu an“ (Rißmann, S. 56). In der „Kampfzeit“ der zunehmend stärker von Hitler dominierten NSDAP (die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als Nachfolgerin der DAP) bildete sich unter seiner autoritären Führung (am „Führerprinzip“ orientiert) eine Parteielite heraus, in der J. Goebbels und A. Rosenberg die Glaubenssätze ihres Führers ideologisch weiter ausbauten. Man konnte dann schon von einer politischen Religion „in statu nascendi“ sprechen, in welcher der heilsgeschichtliche Anspruch allerdings zeitweise von der Tagespolitik überdeckt wurde.

In verschiedenen Gruppierungen des rechten Spektrums der Weimarer Republik lebte schon vor Hitler die Sehnsucht nach einem „Führer“, einem „völkischen Messias“, der als Werkzeug einer höheren Macht, sei es Gottes oder des Schicksals, in die Politik eingreifen sollte (Rißmann, S. 183): „Die Hoffnung auf das Kommen des „Übermenschen“ ... gehörte zum Zeitgeist bis in die dreißiger Jahre, als sich diese Sehnsucht auf Hitler fokussierte und in ihm ihre Erfüllung zu finden schien“ (S. 121). Denn erst Hitler reservierte die Rolle des Messias für sich selbst und begründete damit den Führer-Kult des „Dritten Reiches“, der sich innerhalb der Partei schon seit Mitte der zwanziger Jahre herausbildete und sich mit dem Glauben „an die sieghafte Kraft dieser Erlösungslehre verband“ (S. 183). Noch vor der „Machtergreifung“ (1933) erklärte Hitler die Partei zum „Werkzeug“ des Herrgotts: „Es kommt ein Reich, aus der Kraft dieser Bewegung heraus geboren“ (S. 73). Und C.-E. Bärsch stellt in seinem lesenswerten Buch „Die politische Religion des Nationalsozialismus“ (München, 1998) fest: „Der Erfolg der Nationalsozialisten vor dem Beginn der legalen Herrschaft 1933 beruht auf dem religiösen Gehalt ihrer Ideologie“ (S. 183). Hitler hat auch später noch die Rolle der „Bewegung“ und die Kraft ihres Glaubens betont: „Die Vorsehung honoriere tiefes Vertrauen zum Führer, ... , vor allem aber Treue zur Bewegung“ (Rißmann, S. 70), was wiederum daran anknüpft, dass schon im frühen Christentum der Glaube an Jesus und die Botschaft der Jünger und Apostel eine Vorbedingung zum Heil war. Dass dieser Glaube an Hitler noch lange kein einigendes Band der Volksgemeinschaft war, steht auf einem anderen Blatt. Rißmann formuliert das sehr treffend: „Hitler glaubte an die Vorsehung, die Deutschen mehrheitlich (H. Sch.: noch!) an den altbewährten christlichen Gott“ (S. 117).

Anfangs bestand daher nur die Glaubensforderung, die ja verallgemeinernd als Gehorsamsforderung interpretiert werden kann. Nach Rißmann (S. 179) „predigte (Hitler) einen nationalsozialistischen Heilsplan und verlangte von den Deutschen unbedingten Glauben an Vaterland und ‚Bewegung’“, und er bekräftigte dies mit Drohungen, denn wer sich nicht zu ihm bekannte, schloss sich selbst aus der „Volksgemeinschaft“ aus und verlor damit den eigentlichen Sinn seiner Existenz: „Wehe dem, der nicht glaubt. Dieser versündigt sich am Sinn des ganzen Lebens“ (Rißmann, S. 76), hat damit also sein Existenzrecht verloren. Welch alttestamentliche Drohung! Aber Hitler konnte auch loben: „(Man) kann wohl kaum an der Feststellung vorbeikommen, dass es sich hier (in den Jahren der nationalsozialistischen Neugeburt) um den wunderbarsten Sieg des Glaubens ... gehandelt hat“ (zitiert nach Rißmann, S. 76), der zur Einigung der Nation führte.

Das an Hitler glaubende Volk war zugleich Ziel und zuvor schon Träger von Hitlers Heilsgeschichte: Hitler stammte aus seinem auserwählten deutschen Volk, obwohl er genau genommen ein Österreicher war (wie ja auch Jesus nicht ganz direkt ein Reis vom Stamme Davids war), und er lebte als „Führer“ für Deutschland (Rißmann, S. 73). In den sehr pathetischen Worten eines Propheten stellte sich Hitler am 31. 7. 1937 als eigentlichen Vollender der Werke Gottes hin: „Er (Gott) hat dieses (deutsche!) Volk gebildet, nach seinem Willen ist es geworden, und nach unserem Willen soll es bleiben und nimmer mehr vergehen“ (wiedergegeben von Max Domarus in: Hitler. Reden und Proklamationen 1932 – 1945, S. 712, zitiert in Rißmann, S. 61).

Hitler ließ sich als Gesandten der Vorsehung in nahezu religiösen Formen verehren (S. 195). Wenn Hitler selbst an einer Parteiveranstaltung teilnahm, bildete seine Rede regelmäßig den Höhepunkt. Als ein Auserwählter Gottes verkündete er dann dem Volk seine Heilsbotschaft, die Hoffnung auf nationale Erlösung (S. 179 –181): Als die Not des Vaterlandes am größten war, berief die Vorsehung den schließlich erstarkten Retter. Dem Glauben Hitlers an seine Sendung kam entgegen, dass seine Anhänger, vor allem sein Propagandist Joseph Goebbels, immer fanatischer an ihn als den „Führer“ glaubten. Es war nicht mehr nur die reale Person Adolf Hitler, sondern schon deren Stilisierung zum „Führer“, die den Inhalt dieses Glaubens ausmachte. So kam es in diesen Jahren zu einer wechselseitigen Durchdringung von Hitlers Glaube an die eigene Sendung und dem Glauben vieler Deutschen an die Sendung Hitlers. Immer mehr Deutsche ließen sich von Hitlers Überzeugung anstecken, dass er unter Anleitung eines höheren Macht das deutsche Volk zum nationalen Heil führen werde. Diese Heilsgewissheit trug zu jener Dynamik bei, mit der in Hitler und seinen Anhängern Kräfte freigesetzt wurden, die nur anfangs noch als aufbauend eingeschätzt werden konnten, dann aber faktisch immer zerstörerischer wurden.

Schon vor 1933 zelebrierte Hitler in seiner NSDAP einen Heiligen-Kult, der einen ersten bedeutenden Anlass fand nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch vom 9. 11. 1923 in München, der unter seinen Anhängern viele Verletzte und 16 Tote forderte. Joachim C. Fest (Hitler. Eine Biographie. Ullstein, Frankfurt/M., 1973) beschreibt „die düstere Gala des Kults, den er (Hitler) mit dem Ereignis trieb, wenn er später Jahr für Jahr zwischen blakenden Pylonen zum Gedenkmarsch antrat und auf dem Königsplatz die Toten jenes trüben Novembermorgens aus ihren Bronzesärgen zum letzten Appell rufen ließ ... (Das Ereignis) verschaffte ... der Partei Märtyrer, eine Legende“ (S. 279). Zu den herausragenden Märtyrer-Gestalten der NSDAP gehörte der SA-Führer Horst Wessel, der von einem kommunistischen Rivalen erschossen wurde (wohl auch aus Eifersucht im Streit um eine Prostituierte), der aber „für die Partei dennoch einen vorzüglichen Blutzeugen abgab“ (Rißmann, S. 74). Er wurde im Horst-Wessel-Lied verewigt, das später neben und sogar vor dem Deutschlandlied in den Rang einer Nationalhymne erhoben wurde („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert in ruhig festem Schritt, ...“). Rißmann führt in diesem Zusammenhang weiter aus: „Nach der Machtergreifung feierten die Märtyrer Auferstehung: ‚Unsere Toten sind alle wieder lebendig geworden. Sie marschieren nicht nur im Geiste, sondern lebend mit uns mit“ (S. 74). Hitler „ließ auch weiterhin die Märtyrer, Blutzeugen, Blutopfer und ‚Apostel unserer Bewegung’ verehren“ (S. 73).

Hitler erklärte den verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg postum zum besonderen Heiligen der deutschen Nation, „der als eine Art ‚Johannes’ der Bewegung vorangegangen und ihr den Weg geebnet habe“. Wie die vielen anderen Helden und Märtyrer der Bewegung werde auch er nun in Walhall wandeln: „Er lebt, denn indem er starb, wandelt er nun über uns inmitten der Unsterblichen unseres Volkes, umgeben von den großen Geistern der Vergangenheit“ (zitiert nach Rißmann, S.75). Zur Festigung solcher Heldenverehrung benannte Hitler einzelne Gruppierungen der NS-Organisationen nach den Toten der „Bewegung“. Nach der Ermordung des NS-Landesgruppenleiters Wilhelm Gustloff in der Schweiz im Jahre 1936 „widmete Hitler die NSDAP-Ortsgruppen im Ausland dem Andenken des Verstorbenen: Nun habe ‚jede Ortsgruppe des Auslandes ihren nationalsozialistischen Patron, ihren heiligen Märtyrer ... In jeder Geschäftsstelle wird nun sein Bild hängen. Jeder wird seinen Namen im Herzen tragen’“ (S. 74).

An die toten Helden der Bewegung erinnerten auch Denkmäler aller Art, Ehrentempel und Mahnmale. Das entsprach bis ins Detail „der Sitte, Kirchen und Altäre den christlichen Heiligen zu widmen“ (S. 74). Hitler ließ schon von 1933 an immer größere Bauwerke errichten, die in ihrer ehrfurchtgebietenden Monumentalität die Dome und Paläste vergangener Zeiten zu überbieten versuchten und für die Ewigkeit gebaut waren, auch als Rahmen für ebenso monumentale Großveranstaltungen. Die NS-Märtyrer wurden auch in Kulthandlungen geehrt, die in den Kalender der nationalsozialistischen Feiertage eingeordnet wurden. In diesen herausgehobenen Tagen bestand ein Höhepunkt der festlich zelebrierten Rituale in Hitlers Reden, in denen er die Vorsehung und göttliche Allmacht besonders bemühte. Dazu weiter Rißmann: „Die kultartigen Handlungen besonders der Reichsparteitage (in Nürnberg) zeichneten sich durch äußerste Pracht- und Machtentfaltung aus. ‚Führer’ und Masse ergänzten einander im rituellen Spiel einer genau festgelegten, an Gottesdienste erinnernden Choreographie“ (S. 181), und weiter: „ .. die Planer der Parteitage (errichteten) Lichtdome im Nürnberger Himmel ... Solche Schauveranstaltungen und die hier entfaltete Rhetorik zapften ‚einen Strom pseudoreligiöser Gefühle >säkularen Heils< an’ ...“ (S. 184).
Bis auf das christlich abwertende Beiwort „pseudo“ ist diese Bewertung völlig angemessen. Es wäre nur noch zu ergänzen, dass dabei Fahnen und Standarten, Fanfaren und Chöre zum Aufkommen einer feierlichen Stimmung beitrugen, in enger Anlehnung an über Jahrhunderte weiterentwickelte Traditionen kirchlichen Feierns, wie sie vor allem im Katholizismus zur vollen Ausprägung gekommen waren, und in den letzten Jahrzehnten vom Papst Johannes Paul II. in aller Welt höchst eindrucksvoll dargeboten wurden.

Schließlich sind noch die Symbole des Nationalsozialismus zu nennen: Das Hakenkreuz ist nicht nur als altindische („arische“) Swastika zu verstehen, sondern auch als Konkurrent zu „Hammer und Sichel“, vor allem aber ersetzte es das vorher allgegenwärtige Kreuz der Christen Die SS-Runen knüpften dagegen in ihrer Schriftform an germanische Traditionen an, die aber in Hitlers Glaube nur eine verschwindend geringe Rolle spielten; er machte sich eher darüber lustig. In Hitlers Glaube ging es nicht um germanische Götter, sondern um die „Vorsehung“, die ihn, Adolf Hitler, berufen hatte.

Schon in der „Kampfzeit“ stilisierte sich Hitler als „Führer“ im Auftrag der „Vorsehung“ zur Rettung des Deutschen Volkes aus der Schmach des Versailler Vertrags, und das war nur ein säkularisierter Abklatsch eines „Messias im Auftrag Gottes“. Nach dem Scheitern seines Münchener Putschversuchs, also wiederum nach einer offensichtlichen Niederlage, und noch verstärkt in der Zeit der Festungshaft in Landsberg, glaubte er „noch fanatischer“ an seine Sendung. Niederlagen und Misserfolge interpretierte er offenbar jüdisch-christlich als von Gott auferlegte Prüfungen, vergleichbar den Prüfungen, mit denen der Teufel im Auftrag des Gottes Jahwe dem frommen Hiob zusetzte. Nach solchen Prüfungen, die Hitler fest glaubend zu überstehen versuchte, verstärkten sich seine Anstrengungen, noch fanatischer seiner Sendung nachzukommen, und so motivierte ihn sein Glaube zum Weitermachen und „Mehrdesselben“ (Watzlawick) trotz aller Ausweglosigkeit bis zum bitteren Ende.

Hitler selbst und seine Getreuen, seine „Bewegung“ und schließlich das ganze deutsche Volk und alle anderen “Arier“ (unter Ausschluss aller „Nicht-Arier“) waren in seiner Sicht von der Vorsehung auserwählt. Das war im Grunde eine den alten jüdisch-christlich-islamischen Auserwähltheitsglauben schlicht umkehrende Ersatzbildung, etwa in der Art: „Wer ist auserwählt? Etwa gar die Juden? Nein, wir Deutschen! Nämlich weil wir keine Semiten, sondern Arier sind!“ Die Juden dagegen waren von der Vorsehung verworfen, „der Vernichtung anheim gegeben“, ganz in der Rolle der Kanaanäer, mit denen vor Zeiten die Israeliten auf diese Weise umgegangen waren, wohl nicht wirklich in einem totalen Genozid, sondern vielleicht nur wie es in orientalisch übertreibender Weise im Buch Deuteronomium und in anderen Texten des Alten Testaments so beschrieben wurde. Die Rechtfertigung dieses Genozids durch den Gott Jahwe spielte dabei eine große Rolle, und sie wurde zum Modell für viele spätere Rechtfertigungsversuche, und auch Hitler berief sich auf „die Vorsehung“, als er den Massenmord an den europäischen Juden plante und durchführen ließ.