1. Zum Anschlag selbst: Vier Passagier-Großflugzeuge gleichzeitig zu kapern und in drei Fällen erfolgreich gegen die zwei Türme des Welt-Handels-Zentrums und gegen das Pentagon (und in einem Fall vergeblich gegen ein noch unbekanntes Ziel) zu lenken, das gelingt nur einer hochtrainierten und zugleich höchstmotivierten Truppe von mindestens 20 Tätern, die ihre Selbsttötung bewusst eingeplant haben und den Mord an vielen unbeteiligten Zivilisten, auch Frauen und Kindern, bewusst in Kauf genommen haben. Als damit vergleichbar kenne ich aus der Geschichte nur die japanischen Kamikazeflieger, die sich in der Endphase des Zweiten Weltkrieges in ihren mit Sprengstoff beladenen Flugzeugen im Selbstopferangriff auf Einheiten der us-amerikanischen Flotte, vor allem auf Flugzeugträger stürzten. Am Ende dieses Krieges sollen auch Kamikaze-Einsätze deutscher Kampfflieger geplant gewesen sein; ich weiß nicht, ob es tatsächlich dazu kam. Für us-amerikanische Soldaten sind solche Einsätze völlig ausgeschlossen: ihr Leben wird traditionell so weit wie irgend möglich geschont, jeder in die USA zurückkehrende Sarg ist der amerikanischen Öffentlichkeit schon zuviel.
2. Selbstmordangriffe von mit Sprengstoff vollbepackten Einzeltätern sind in Israel in den letzten Jahren häufiger vorgekommen; es waren vorwiegend arabische Palästinenser, die versuchten, mit ihrem Selbstopfer in belebten Straßen, Einkaufszentren, Bussen etc. möglichst viele Menschen ohne Ansehen ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Religion, also auch alte Menschen, Frauen und Kinder, ggf. sogar Angehörige ihres eigenen Volkes, mit in den Tod zu nehmen. Diese Taten werden nicht von suizidalen Geisteskranken begangen, sondern von jungen Männern, die sich selber dafür bewerben und sich davon erhoffen, direkt nach dem eigenen Opfertod ins Paradies aufgenommen zu werden, um dann Seite an Seite mit dem Propheten das Antlitz Allahs schauen zu dürfen, von den ansprechenden Gesichtern und anderen Vorzügen der ihnen dann verfügbaren Huris (noch unberührten Jungfrauen mit unvergänglichen Reizen) einmal ganz abgesehen. Sie können jedenfalls erwarten, nach ihrem Opfertod in ihren Familien und weit darüber hinaus als Helden und Märtyrer des Islam verehrt zu werden. Falls es in anderen Ländern, etwa solchen, die der NATO angehören, auch derartige Selbstmordkommandos gibt oder in den letzten 10 Jahren gegeben hat, will ich mich gern belehren lassen. Mir selber ist davon nichts bekannt.
3. Die Tat war mit einer ganz extremen Form der Geiselnahme verbunden: in den Flugzeugen befanden sich außer den Terroristen noch insgesamt über 200 Menschen (Zivilisten, vor allem wohl Geschäftsleute und Touristen, dabei auch Frauen und Kinder?), die sich damit jeweils innerhalb einer mit hochexplosiblem Treibstoff vollgeladenen "Bombe" befanden, die mit ihnen ins Ziel gesteuert wurde. Innerhalb der drei getroffenen Ziele waren über 3000 Mitarbeiter verschiedenster Firmen und ihre Kunden und Besucher, die nicht die geringste Chance zur Rettung aus diesem Inferno von Flammen und berstenden Gebäudeteilen hatten. Die Täter werden das gewusst und daher wohl auch beabsichtigt haben.
4. Praktisch die ganze zivilisierte Welt hat ihre Empörung gegen diesen brutalen Angriff bekundet und trauert mit den Hinterbliebenen über ihre ermordeten Angehörigen. Ausnahmen waren wohl nur einige wenige jubelnde und tanzende, Süßigkeiten verteilende Palästinenser (übrigens ganz im Unterschied zu ihrem tief berührten Präsidenten Arafat), und jedes Mitgefühl für die Opfer fehlte auch bei Saddam Hussein im Irak sowie bei gewissen Taliban-Kreisen in Afghanistan. Verhaltene Zustimmung zu dem Terrorangriff und auch klammheimliche Freude darüber gab es auch bei "Gringo-Hassern" in Südamerika und "Ami-Fressern" in anderen Ländern, darunter waren auch einige anti-amerikanische Ideologen und ihre Anhänger in Deutschland, die jeden, aber auch jeden Sieg über die verhassten US-Kapitalisten als Fortschritt für ihre gute Sache bewerten, ohne auch nur hinzuschauen, welche Opfer von diesem Sieg betroffen waren. Ich empfinde das als ein hohes Maß an Gefühlskälte, das in meiner Sicht nur religiös (wie in den mittelalterlichen Hexenverbrennungen) oder ideologisch (wie im nationalsozialistischen Holocaust und in den marxistischen Massenvernichtungen) begründbar ist.
5. Es sind nämlich gar nicht irgendwelche aggressiven Bedürfnisse oder "Todestriebe", die zu solch mörderischer Mitleidslosigkeit führen, sondern es sind die religiös-ideologischen Rechtfertigungen, die es bewirken, dass die höchst negativen Mittel solcher Taten ganz hinter den angeblich höchst positiven Zielen zurücktreten und schließlich ganz aus dem Blick verschwinden, und damit schwindet auch das Mitgefühl für die Opfer. Zur Relativierung des Grässlichen solcher Anschläge dienen auch die Gegenrechnungen, die den "eigentlichen" Objekten der Angriffe (wohlgemerkt nicht den Opfern in den Flugzeugen und Gebäuden, sondern "den US-Amerikanern"!) vorgehalten werden. Ich selber bezweifle nicht (ich habe den 2. Weltkrieg noch miterlebt), dass auch Brandbomben und Napalm-Granaten menschenmörderisch waren, noch mehr die Atombomben, die seitdem nicht mehr in Kriegen eingesetzt wurden. Aber ich bestehe darauf, dass suizidale Massenmörder nicht auch noch, mit dem Verweis auf frühere Verbrechen ihrer Gegner, einen Heiligenschein bekommen dürfen. Der Widerstand gegen das menschenrechtswidrige und völkerrechtswidrige Vorgehen der israelischen Besatzer im Westjordanland und im Gaza-Streifen rechtfertigt dennoch keinen Mord an Zivilisten, an Frauen und Kindern in Israel und sonst wo in der Welt. Und im übrigen gibt es gute Beispiele dafür, dass selbst "Erbfeindschaften" wie zwischen Deutschland und Frankreich begraben werden können und dass nach den Massenvertreibungen der Deutschen aus ihren Ostprovinzen (und dies nach der Vertreibung der Polen aus ihren Ostgebieten) dennoch zwischen Völkern wie Deutschland und Polen auf weitere Aufrechnungen verzichtet werden kann. Die so weitgehende Akzeptanz der Oder-Neiße-Grenze ist ein Beweis dafür.
6. Wenn nun zur weiteren Rechtfertigung der Mordtat auf den Hunger in der 3. Welt verwiesen wird, die tatsächlich immer noch zunimmt, dann möchte ich doch fragen, warum Saudi-Arabien und andere arabische Ölländer mit ihren Milliardengewinnen nicht schon längst daran gegangen sind, die Armut wenigstens in ihren Nachbarländern zu beseitigen. Auch Osama bin Laden hätte seinen Reichtum in Afghanistan besser zugunsten der Armen in diesem Lande verwenden sollen. Den weltweit höchsten Prozentsatz an Entwicklungshilfe gemessen am Bruttosozialprodukt leisten immer noch, wie seit ihrem Beginn, einige europäische Länder, vor allem die skandinavischen, darunter auch solche, die der NATO angehören. Der Beitrag der Deutschen ist im Vergleich dazu noch beschämend gering und muss daher erhöht werden. Aber dass die westlichen Industrieländer aktiv daran arbeiten, die Armen in der Welt verhungern zu lassen, ist ein Märchen oder besser eine Teufels-Mythe, so recht etwas für diejenigen, die noch an den Teufel glauben, der bekanntlich sein Hauptquartier und seine Unterteufel in Manhattan konzentriert hat, einige auch in Washington D.C.
7. Was ist zu tun? Wie bei jedem Verbrechen geht es zunächst um dessen bestmögliche Aufklärung, danach um die Festnahme der Auftraggeber und Helfer (denn die Täter vor Ort sind ja schon tot, vielleicht schon im Paradies), und um ihre Überstellung in ein nach rechtstaatlichen Prinzipien geführtes, öffentliches und international kontrolliertes Gerichtsverfahren, und schließlich ihre Verurteilung mit den dafür angemessenen Strafen, maximal mit lebenslänglicher Haft, denn die Todesstrafe würde sie nur zu Märtyrern werden lassen. Dabei ist es völlig überflüssig zu fragen, ob wirklich Osama Bin Laden selber ausdrücklich den Befehl gegeben hat, die beiden Türme des Welt-Handels-Zentrums und das Pentagon und ein möglicherweise viertes Ziel zu zerstören. Denn die Selbstmord-Attentäter werden dies auch bei geschicktester Befragung nicht mehr bestätigen können. Sie leben nicht mehr. Und Osama Bin Laden kann es auch nach seiner immerhin möglichen Gefangennahme bis zu seinem Tode leugnen, und er wird dies vielleicht tun, um seine Organisation und vor allem seine Unterführer zu schützen. Aber es ist längst erwiesen, dass er mehrfach öffentlich zum Kampf, ja zum Krieg (Dschihad) gegen die verhassten Zionisten und auch ausdrücklich gegen die USA aufgerufen hat, und er tut dies auch jetzt wieder, nach dem Terrorangriff. Im übrigen ist es auch längst bekannt, dass Bin Laden die früh ansetzende Indoktrinierung, die Rekrutierung und Ausbildung von Selbstmord-Attentätern, die bereit sind, gegen Israel und die USA zu kämpfen, mit allen ihm verfügbaren Mitteln organisiert und finanziert. An Bin Ladens Gesamtunternehmen ist sicher ein weltweites Netz von Hunderten an z.T. schon geopferten, z.T. noch einzusetzenden amerikafeindlichen Tätern beteiligt. Nicht zuletzt gehen Islamisten in aller Welt voller Stolz davon aus, dass Osama Bin Laden zumindest der hauptverantwortliche Initiator dieser Aktionen war, und sie feiern ihn dafür!
8. In einer entscheidend wichtigen Rolle gehören zu diesem Umfeld auch die islamistischen Demagogen und Kriegshetzer, nicht zu vergessen manche Mullahs bei ihren Freitagsgebeten und manche Lehrer in den großen Medressen und örtlichen Koranschulen. Auch hochrangige Fatwa-Verkünder haben schon zum Mord aufgerufen, nämlich zum Mord an dem Romanautor Salman Rushdie. Doch solange solche Agitatoren nur schimpfen und schmähen, und nicht aktiv an der Vorbereitung und Durchführung von Terroranschlägen beteiligt sind, sollten sie als selber verführte Verführer gelten, vielleicht wissen sie es wirklich nicht besser. Aber die Täter und aktiven Tathelfer gehören vor Gericht. Über die Strafverfolgung der Täter und Tathelfer hinausgehend wäre eine weltweite Unterstützung im Kampf gegen terroristische Organisationen vonnöten, um weitere Terroranschläge zu verhindern und ihnen vorzubeugen. Dagegen wäre das propagandistische Aufputschen einer Pogrom- oder gar Kreuzzugs-Stimmung gegen eine ganze Glaubensrichtung wie den Islam selber schon ein Verstoß gegen die Menschenrechte und sollte daher schon in den Anfängen öffentlich missbilligt und mit rechtlichen Mitteln abgewehrt werden.
9. Als nächstes geht es um Aufklärung: Wer auch immer zu den Hintermännern gehörte, es werden wohl meist entweder sehr fromme oder sehr fanatische Männer sein (jedenfalls kaum eine Frau). Den Glauben dieser Männer wird niemand erschüttern können, denn sie sind sich dessen gewiss, dass sie mit dem Terrorüberfall eine wirklich gute Sache unterstützt haben. Aber wir sollten alles in unserer Macht tun, die religiös-politischen Hintergründe an Auserwähltheitsglauben, Jenseitshoffnung, Welterlösungsversuchen und Mono-Orientierungen zu hinterfragen und aufzuklären und ihnen einen sowohl pluralistischen wie globalen, sowie humanistisch an den Menschenrechten orientierten Minimalkonsens entgegenzusetzen. Unsere Welt ist mit dem 11. September wieder mit einem Ruck kleiner geworden. Wir sollten realisieren, dass wir auf dieser kleinen Erde einander leben lassen müssen, wenn wir selber und unsere Nachkommen weiter leben wollen.
10. Zu diesem Zweck müssen wir alles dafür einsetzen, unsere Kinder und Kindeskinder dem schon nach ihrer Geburt einsetzenden Zugriff der Religionen und Ideologien zu entziehen. Kinder sollten miteinander spielen können, und nicht gegeneinander aufgehetzt werden. Die Wörter ungläubig, andersgläubig, fremdvölkisch, fremdrassig, andersfarbig, klassenfeindlich usw. sollten im Umgang mit Kindern einem totalen Tabu unterliegen. Von sich aus kämen die Kleinen ja gar nicht darauf, sich von anderen Kindern wegen solcher "Unterschiede" oder gar "Gegensätze" zu distanzieren. Wir sollten daher die religiös-politischen Kinderverführer aktiv daran hindern, schon kleinen Kindern und dann auch Jugendlichen solche Ideen einzupflanzen. Dazu brauchen wir die Hilfe der Mütter und anderer in Pflege und Erziehung tätiger Frauen und Mädchen: Glaubt nicht den Worten der militanten Männer, dass die "guten" Menschen die "bösen" Menschen in Massen töten müssten, um den Auserwählten das Heil zu sichern. Es genügt völlig, wenn einige wenige Haupttäter nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren lebenslänglich hinter Gitter kommen, in Sicherheitsverwahrung, damit sie nicht weiter Schlimmes tun oder bewirken können.
17. 9. 2001