2.5.5.3. Das Team

Da das Bild der Familie schon durch seine uralte Herkunft als ziemlich "konservativ" erscheint, will ich mich nach einem anderen Bild umschauen, das "progressivere" Menschen stärker ansprechen könnte. So wäre unser als unzureichend verworfener Ausgangspunkt, das Bild des einzelnen Individuums im All oder vor dem einen Gott, auch zu erweitern in Richtung auf ein Team, das gemeinsam Probleme löst oder Aufgaben erledigt. Wenn wir vom "Team" sprechen, so ist das eine moderne Bezeichnung für eine ganz alte Sache: für die "Zusammenarbeit der bei aller Verschiedenheit Gleichrangigen". Schon bevor Affen sich zu Menschen weiterentwickelten, also schon vor mehr als 3 Millionen Jahren, gab es Zusammenschlüsse von einzelnen Primaten zu Gruppen, um einander Gefahren zu signalisieren und um Gefahren gemeinsam abzuwehren: Gefahren aus der unbelebten Umgebung, z.B. Buschfeuer oder Überschwemmungen; auch Gefahren, die von Raubtieren drohten, und Gefahren, die von konkurrierenden Gruppen der eigenen Art ausgingen (von der gegenseitigen Verdrängung bis zur Verfolgung und zum todbringenden "Krieg"). Auch dass Menschen einander in der Not unterstützten, das hat es schon lange gegeben, viel früher als die hierarchische Beziehung zwischen Führer und Gefolgschaft mit Befehl und Gehorsam.

Heute verstehen wir unter einem Team die Zusammenarbeit der unterschiedlich kompetenten und daher je unterschiedlich zuständigen Spezialisten, die arbeitsteilig und doch gemeinsam das Problem, vor dem sie stehen, zu klären versuchen, und die zu diesem Ziel das Gespräch miteinander suchen, um auf diesem Wege einvernehmlich oder mit Mehrheit zu Lösungen zu kommen, die schließlich alle akzeptieren können. Die Mitglieder des Teams stehen dabei in Konkurrenz zu anderen Teams, die mit gleichartigen Problemen konfrontiert sind und ähnliche oder aber andere (auch bessere) Lösungen finden können. So erlaubt auch die Zusammenarbeit in der Gruppe und die Konkurrenz zwischen Gruppen noch eine situationsbezogene individualisierende Problemlösung, die abhängig ist von der jeweiligen Zusammensetzung des Teams und damit von der je besonderen Kompetenz des einen oder anderen Teammitgliedes. Solche Zusammenarbeit gelingt besser, wenn das Team nicht zuviel Mitglieder hat, weil sonst die Entscheidungsprozesse zu kompliziert werden und zuviel Zeit in Anspruch nehmen könnten. So ist eine Arbeitsgruppe, ein Ausschuss, eine Ministerrunde eher dann arbeitfähig, wenn nicht mehr als 12 Leute in ihr zusammenarbeiten. An einem runden Tisch sitzend können sie dann die Sache gründlich durchdiskutieren, verschiedene Einzelbeiträge sorgsam abwägen und diese dann umsichtig zu einer Gesamteinschätzung zusammenfügen, aus der sich differenzierte, der Komplexität des Sachverhalts angemessene Entscheidungen ableiten lassen.

Wenn es dagegen unter dem akuten Druck einer Gefahrensituation notwendig werden sollte, sich kurzfristig zu entscheiden, dann können deutlich weniger als 12 Personen, bis herunter zu einem 3er-Gremium, schneller zu einem vertretbaren Beschluss kommen und insofern effizienter arbeiten. Aber es sollte eine ungerade Zahl von Entscheidungsträgern sein, damit es immer entscheidungsfähige Mehrheiten geben kann, oder aber einer von 4 oder 6 Personen hat 2 "Stimmen" auf die Waagschale zu legen. Aus diesen Gründen werden für bestimmte aktuelle Entscheidungen, die nichts an der Gesamtorientierung der Gruppe ändern, auch mal wenige Mitglieder eines Teams mit höheren Vollmachten versehen. Sie bilden dann einen Vorstand oder ein Leitungskollegium, dem für definierte Anlässe und Problembereiche eine Exekutivgewalt zuerkannt wird, und das eine solche Entscheidung danach aber vor den anderen Teammitgliedern zu verantworten hat. In jedem Falle geht es im Team um die Beziehungen von gleichrangigen Ungleichen zueinander, jedenfalls sollen etwaige Verschiedenheiten nicht automatisch zu Rangunterschieden führen oder diese gar fixieren. Das Team setzt sich also nicht aus der Reihe der Gleichen zusammen, ist kein Kreis der gleich glaubenden, gleich kämpfenden, gleich denkenden, oder gar gleich aussehenden (zumindest gleich gekleideten = uniformierten!) Mitglieder. Für diese passt eher ein Regiment oder eine Heerschar der Gleichen unter dem Befehl eines und nur eines Führers!

Das Team kann im einzelnen eine Gruppe von Männern sein, die gemeinsam Gefahren abzuwenden versuchen (das ist eine der ältesten Formen), oder von Männern und Frauen, die gemeinsam an der Erledigung einer Aufgabe arbeiten, oder von Frauen, die mal zusammen etwas tun wollen, bei dem ihre Männer nur stören würden, und schließlich von Kindern, die zusammen spielen. Eine Konkurrenz zwischen Teams kann auch als Wettkampf organisiert sein, wobei auf einem Spielfeld die Mitglieder des einen Teams (der "Mann"schaft!) gemeinsam gegen die anderen Teams "kämpfen". Eine der beiden (oder mehreren) Mannschaften "siegt", eine andere "verliert" das Spiel, oder beide trennen sich mit einem Unentschieden, bis zum nächsten Spiel. Dabei sind Männer oft mehr auf Kampf und Wettbewerb eingerichtet, während Frauen besondere Kompetenzen zur Zusammenarbeit einbringen können: sie können sich sprachlich besser vermitteln (falls sie nicht von männlichen "Lautsprechern" übertönt werden), sie neigen schon ihrer Kinder wegen eher dazu, einander zu unterstützen, und sie können es leichter akzeptieren, wenn sich im Team schließlich eine andere Meinung als genau ihre eigene mehrheitlich durchsetzt. Den Kindern aber geht es vor allem um das Weiterspielenkönnen, solange jedenfalls, bis die Müdigkeit dem Mitspielen ein Ende setzt.

Ein schönes Modell für Einanderablösen und Miteinanderarbeiten ist das improvisierende Zusammenspiel im klassischen Jazz: mal ist die Klarinette "dran", mal die Posaune, mal die Trompete, dann auch mal der Bass, der nicht auf die Rolle als Begleitinstrument beschränkt bleibt, und sogar der Schlagzeuger bekommt Raum für sein Solo, und auch das Banjo, und dann, zum Schluss, spielen alle zusammen, und man merkt, dass schon vorher jeder seinen Platz gesucht und gefunden hat, so dass schließlich in der Jamsession die einzelnen Stimmen innerhalb einer Melodiephrase mal in den Vordergrund rücken und mal in den Hintergrund zurücktreten. Das hört sich gut an, und keiner hat den anderen übertönt! Darum geht es in solchem Zusammenspiel: dem anderen Zeit einräumen und ihm Platz lassen, und damit einander als gleichwertig gelten lassen!

So verstehe ich auch das Projekt der Zivilisierung des Menschen, an dem ich mich beteilige: meine eigene Meinung ist dabei gar nicht so maßgeblich; ich habe ohnehin nach Möglichkeit versucht, das Gegebene selbst und das darüber kumulierte Wissen selber sprechen zu lassen, denn was soll ich beispielsweise an Worten von Montaigne noch umformulieren, wenn er es schon so gut gesagt hat! Mir geht es um eine große Koalition der Aufgeklärten und Vernünftigen, und ich verstehe sie als Mitspieler, die nicht von oben her verpflichtet wurden, sondern allein vom gemeinsam empfundenen Problemdruck her sich genötigt fühlen, an der Lösung der Probleme zu arbeiten und sich dazu ggf. auch zusammenzutun und sogar zu einigen, oder aber, was auch nicht verkehrt ist, einander in der Lösungsarbeit abzulösen! Das gilt auch im großen Zeitrahmen: zu sterben kann auch heißen, einem Anderen Platz zu machen, der "die Fackel weiter trägt"!