Wie kam es zu dieser Entwicklung? Ohne den Anspruch, damit alles erklären zu können, will ich doch einen Hinweis bringen, was dazu beigetragen haben könnte. Ich entnehme ihn aus sprachanalytischen Überlegungen. Wer nicht schon weiß, dass es in den von mir referierten Zitaten um moderne Gravitationstheorie geht, etwa nachdem die physikalischen Fachwörter gelöscht worden waren, der könnte auf den Gedanken kommen, dass es im Text um Außerweltliches geht. Denn die Ausdrucksweise ist uns aus der Theologie vertraut, nämlich der häufige Gebrauch metaphorischer Wendungen, die uneigentliche Sprechweise mit "quasi" und "sozusagen", weil das Eigentliche weder gesagt noch verstanden werden kann; da ist von Gesetzen die Rede, die etwas verbieten oder auch mal erlauben, und es werden Grenzen für Geschwindigkeiten festgesetzt, statt die möglicherweise unterschiedlichen Größen dieser Geschwindigkeiten zu messen. Theologisch mutet nicht nur die Sprech- und Schreibweise an, sondern auch die darin zum Ausdruck kommende Denkweise: da finden wir Idealismen reinsten Wassers, in denen von der Schlüssigkeit von Formeln auf die Existenz eines dahinter liegenden, aber dennoch der Erfahrung nicht zugänglichen Seins geschlossen wird, und damit werden zugleich Seinsbehauptungen aufgestellt über Dinge oder Vorgänge, die noch niemand gesehen oder untersucht hat. Was man berechnen kann, hat damit anscheinend schon Realitätscharakter.
Fragen wir nur noch, was Einstein möglicherweise daran gehindert hatte, die theoretischen Schwächen seines Ansatzes selber zu erkennen. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass sein Interesse mehr den "kosmischen" Problemen galt als denen der experimentellen Kernphysik (Simonyi, S. 473). Wenn wir die mündlichen Äußerungen in seinen letzten Lebensjahren zugrunde legen, ließ er sich schon bei der Herausbildung der Speziellen Relativitätstheorie von philosophischen Erwägungen leiten (Simonyi, S. 398), und auch bei der Formulierung der AR war er nicht so sehr von den empirischen Beobachtungen und experimentellen Ergebnissen als vielmehr von erkenntnistheoretischen Überlegungen, insbesondere von Ernst Mach, bestimmt. Einsteins nicht nur erkenntnistheoretischer, sondern darüber hinaus auch von Glaubensüberzeugungen sogar religiöser Art bestimmter Hintergrund wird deutlich in seiner oft zitierten Bemerkung zur statistischen Interpretation der Quantenmechanik: "Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum weiter. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der liebe Gott nicht würfelt" (Born, M.: Physik im Wandel meiner Zeit. Vieweg, Braunschweig, 1966; zitiert nach Simonyi, S. 472).
Zu diesem Denkstil passen auch Formulierungen, in denen Einstein in seinem Buch "Mein Weltbild" (S. 143 - 147) beispielsweise davon spricht, dass die Erfahrungstatsache eine "allmächtige Richterin" sei, deren "Spruch" erst auf Grund großer und schwieriger Denkarbeit (H. Sch.: offenbar der von Einstein) erfolgen kann (Karl Popper hätte dies wohl etwas nüchterner so ausgedrückt, dass empirische Befunde zur Falsifizierung einer Theorie führen können). Und Einstein fährt weiter pathetisch fort: "Diese Riesenarbeit (H. Sch.: ein wahres Titanenwerk!) muss der Theoretiker leisten in dem klaren Bewusstsein, dass dieselbe vielleicht nur das Todesurteil seiner Theorie vorzubereiten berufen ist" (wieder nach Popper: dass seine Theorie möglicherweise irgendwann falsifiziert wird).
Da stört kaum noch das Operieren mit Unendlichkeiten und Singularitäten, obwohl die masselosen Punkte bei der physikalischen Umsetzung in Verlegenheiten führen (ich komme auf diesen Problembereich noch zurück). Da werden schlichte logische Widersprüche zum Spiel mit Paradoxien geadelt, die sogar zur besonderen "wissenschaftlichen" Qualität des Behaupteten beitragen sollen. So ist schließlich besonders theologisch die Zumutung an den Laien und sogar an den Prediger solchen Glaubens, das Absurde glauben zu sollen, wenn es nur in einer für sie unverständlichen, diesmal nicht mehr lateinischen, sondern naturwissenschaftlich klingenden Sprache eingepackt und serviert wird: Dann gibt es "Zeitreisen in die Vergangenheit", ganz fix durch ein "Wurmloch" oder über "Einstein-Rosen-Brücken" in einem Raumschiff mit "Warp-Antrieb" unter Nutzung "negativer Gravitation" bis in eine nicht nur räumlich unerreichbar ferne, sondern sogar zeitlich längst abgelaufene andere Welt. Die Mathematik und der Glaube machen es möglich! Ich werde den Verdacht nicht los, dass solche Verblüffungstechniken sogar gezielt das Unglaubliche anbieten, weil dann das Glauben leichter fällt. Am bloß Unwahrscheinlichen könnte man leichter zweifeln.
Gegen solche an der Sprech- und Denkweise ansetzende Kritik könnte nun eingewandt werden, es handele sich bei den kritisierten Formulierungen ja doch nur um vereinfachende Ausdrucksweisen für kompliziertere Zusammenhänge, die selber eben so unanschaulich seien, dass sie nur in derart abkürzenden Formeln wiedergegeben werden könnten. So sei die Rede vom "dürfen", "erlaubt" und "verboten sein" eigentlich nicht so imperativisch gemeint, und hinter der Rede vom gekrümmten Raum und seinen Dellen stecke eine hochkomplexe nichteuklidische Geometrie. Aber ich setze dagegen: wenn es eigentlich nicht so gemeint ist, sollte es auch nicht so gesagt und geschrieben werden, auch nicht von Wissenschafts-Journalisten, erst recht nicht von Angehörigen eines Max-Planck-Instituts! Die Science Fiction sollte man besser den Literaten oder Dichtern überlassen! Sie gehört nicht in eine Zeitschrift, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Ergebnisse neuester naturwissenschaftlicher Forschung an aufgeklärte und wissenschaftlich gebildete Laien zu vermitteln.
Aber ein anderes ist noch zu bedenken: es geht nicht nur um die Verpackung, sondern noch mehr um den Inhalt, der in mancher Hinsicht solcher Verpackung entspricht. Daran ändert nichts, wenn in der genannten Zeitschrift viele Zitate den Argumentationen von fachlich ausgewiesenen Astrophysikern entnommen sind, die sich wiederum auf weltbekannte und mit dem Nobel-Preis geehrte Kapazitäten berufen, letztlich auf Albert Einstein und seine Allgemeine Relativitätstheorie. Deshalb ist auch der Kritiker stärker gefordert: er kann sich dann nicht mehr auf die Kritik von Sprechweisen beschränken, sondern sollte die Denkfehler nachweisen und nach Möglichkeit eine Alternativ-Theorie anbieten, die schon vom Ansatz her das Kritisierte vermieden hat und dann geradere Wege der Argumentation und Beweisführung gehen kann.
Ich will noch kurz auf den Aspekt der Vermittlung und Rezeption spekulativer Theorien eingehen, am besten unter dem Gesichtspunkt der "propaganda fide", der Verbreitung des Glaubens. Wer das vorhat, sollte früh damit anfangen. B. F. Schutz erinnert sich (Spitzenleistung ist der Maßstab! Ein Interview mit Bernard Frederick Schutz. G 14): "Seit ich 15 oder 16 Jahre alt war, wollte ich Relativitätstheorie studieren. Ich war damals fasziniert von populärwissenschaftlichen Büchern von Einstein und Gamov". Solche Faszination kann immer wieder neu aufkommen, selbst dann, wenn der erwartete Erkenntnisgewinn nicht erreicht wird, entweder weil die Aufnahmekapazität des Lernenden nicht ausreicht oder weil das Aufzunehmende jede natürliche Kapazität überfordert, nämlich wenn es unverständlich ist. So kommentieren Nollert, Kunle und Ruder (G 46): "Selbst Menschen, die ein Physikstudium erfolgreich abgeschlossen haben, verstehen üblicherweise nicht genau, was Gravitationswellen eigentlich sind ... Die Gravitationswellenforschung gehört zu dem Anspruchsvollsten, was die Physik zu bieten hat". So war die Frage des Reporters von "Sterne und Weltraum" an B. F. Schutz naheliegend: "Wie viele Menschen in Deutschland haben die Allgemeine Relativitätstheorie verstanden?" Schutz antwortet: "... In Deutschland vielleicht ein paar Tausend. 1919 ... war dies ganz anders. Es kursierte damals das Gerücht, es gebe nur drei Menschen, die die Allgemeine Relativitätstheorie verstanden hätten" (G 12). Da es auch 1919 schon viele intelligente Menschen gab, nicht zuletzt unter Physikern und Astronomen, frage ich mich dann doch, ob es nicht vielleicht ein Vorzug sein könnte, diese Theorie nicht zu verstehen, und sogar gute Gründe dafür zu haben, sie nicht "verstehen" zu wollen. Wie war das noch in der Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern? war es nicht ein Kind, das in all seiner Naivität merkte, dass der Kaiser nackt war?
Solche Bedenken, wie ich sie hier vortrage, sind den Anhängern der Einsteinschen Lehren eher fremd. So beginnt M. Alcubierre (G 70) eine Argumentation mit der Bemerkung: "Einsteins Relativitätstheorie, eine der bemerkenswertesten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, lehrt uns ..." Wer will dann noch zweifeln? Ähnlich autoritativ führt B. F. Schutz unter dem Titel des Interviews und zugleich eigenen Motto "Spitzenleistung ist der Maßstab" (G 10) die Relativitätstheorie als eine "der beiden grundlegenden Theorien der Physik" ein (neben der Quantentheorie). Und schließlich stellt U. Borgeest wie abschließend fest: "... Auch sonst konnte bisher kein noch so ausgeklügeltes Experiment Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie widerlegen. Sie ist die Basis zur Beschreibung aller makroskopischen Naturvorgänge" (G 64). Damit ist gemeint: "Eine physikalische Kosmologie ist somit nur auf der Basis von Einsteins Theorie zu formulieren" (G 65).
Auf dieser Grundlage verwundert es nicht, wenn Autoren dieser Zeitschrift, die Gültigkeit der Theorie schon voraussetzend, nur noch darauf aus sind, sie nachträglich auch noch empirisch zu beweisen (statt sie kritisch zu überprüfen), so etwa B. F. Schutz: "Wir zweifeln nicht daran, dass es Gravitationswellen tatsächlich - wie von Einstein vorhergesagt - gibt" (G 10), oder in einem anderen Beitrag die Autoren Nollert, Kunle und Ruder: "... Die große Herausforderung der Gravitationswellenastronomie besteht darin, diese winzigen Werte (einer Längenänderung relativ zum Grundabstand) nachzuweisen und dann noch Informationen über die Quellen, die die Strahlung ausgesandt haben, aus den Daten herauszulesen" (G 47/48). Wer sucht, der findet? Und schließlich verschwimmen die Grenzen zwischen Beobachtungen astronomischer Objekte und den Ergebnissen von Computer-Simulationen, wenn W. Benger (G 57) aus seiner Forschung berichtet: "Meine Arbeit ist durchaus vergleichbar mit der eines beobachtenden Astronomen, der den zunächst unüberschaubaren wirklichen Kosmos mit dem Teleskop erforscht und zu ordnen versucht. Im Unterschied dazu finden meine Beobachtungen im Computer statt". Da war ja Albert Einstein noch vergleichsweise selbstkritisch: "Einstein selbst glaubte nie an die Existenz Schwarzer Löcher. Er sah sie nur als mögliche mathematische Lösungen seiner Gleichungen an, glaubte aber nicht, dass sie in der Natur tatsächlich auftreten würden" (Benger, G 57). Tatsächlich gibt es sie, nur sollte man sie besser "superdichte Photonenfallen" nennen.
Neben Versuchen, das schon Geglaubte auch noch zu beweisen, spielt die Weiterentwicklung der Theorien zu immer umfassenderen und damit immer höheren Einsichten eine große Rolle, und zwar, wie bei Schutz (G 14) erkennbar, mit einem durchaus hohen, ja philosophischen Anspruch: "So bestimmen heute zwei physikalische Theorien unsere Weltsicht: In der unendlichen Dimension des Universums regiert (sic!) die Allgemeine Relativitätstheorie und bei den winzigen Größen der Elementarteilchen die Quantenmechanik. Eine sehr unbefriedigende Situation, aus der wir herauskommen, wenn wir eine Theorie der Quantengravitation finden, die uns in die Lage versetzt, alles mit einer Theorie zu beschreiben". Alles mit einer Theorie, also die "große Vereinigung", das ist das Ziel, das schon Albert Einstein angestrebt hatte, jedoch ohne zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen.
Einstein hatte aber die Probleme, die er dann mit untauglichen Mitteln zu lösen versuchte, sehr wohl klar erfasst. Es könnte sein, dass Einstein ähnlich wie vor ihm Newton eine stimmige mathematische Beschreibung gravitativer Phänomene intuitiv gefunden hatte, noch bevor er selbst oder irgendein anderer zeitgenössischer Forscher über die physikalische Erklärung für diese Phänomene verfügen konnte. Dennoch konnte die Beschreibung "stimmen", also korrekt wiedergeben, was man beobachten kann, und korrekt voraussagen, was man bei neuen Beobachtungen feststellen wird. Nur denke ich, dass manche der von Einstein vorhergesagten und dann empirisch bestätigten physikalischen Effekte andere Gründe haben, als die von Einstein genannten: nicht solche einer "Raum-Zeit-Krümmung", sondern echt physikalische Ursachen, wie sie die auf Le Sage folgenden Forscher in den Wirkungen (an)isotroper Gravionenstrahlung ausgemacht hatten. Wir können im übrigen darauf vertrauen, dass auch heutzutage der Fortschritt der Physik eher von präzisen empirischen Untersuchungen als von großen vereinigten Theorien vorangetrieben wird.