3.7.2. "Aberration": eine Folge der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Strahlung

Von allen Autoren von "Pushing Gravity" hat sich T. Van Flandern (PG 101 - 106) am eingehendsten mit dem Problem befaßt, dass die Schwerkraft anscheinend momentan wirkt (PG 101), ohne eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser Wirkung und damit ohne Aberration. Bei der Aberration geht es um den Winkel zwischen dem mit dem Fernrohr gerade festgestellten Ort eines Fixsterns oder Planeten am Himmelsgewölbe und seinem davon abweichenden tatsächlichen Ort. Diese Differenz ist in der Astronomie völlig auf die begrenzte Lichtgeschwindigkeit zurückzuführen (PG 102). Das kann am Beispiel der Sonne als Objekt der Beobachtung verdeutlicht werden. Ein Lichtstrahl von der Sonne, etwa von einer Eruption von Protuberanzen (Fackeln, Filamenten, Flares) ausgehend, erreicht die Erde erst nach etwa 500 sec (8,3 min), und in dieser Zeit hat sich die Erde eine berechenbare Strecke weit um die Sonne weiterbewegt und dies mit dem Effekt, dass ein starres Fernrohr mit festem Standort eine scheinbare Weiterbewegung der Sonne feststellen konnte. Verallgemeinernd wird in der Astronomie als Aberration bezeichnet, wenn ein Fixstern durch die Bewegung des Beobachtungsortes auf der Erde in dieser Richtung von seinem wahren Ort verschoben erscheint. Infolge dieser Bewegung, an der ein auf einen Stern gerichtetes und fixiert bleibendes Fernrohr teilnimmt, trifft ein vom Stern kommender Lichtstrahl auf einen seitlich der optischen Achse liegenden Punkt. Für einen durch das Fernrohr blickenden Beobachter scheint also das Sternlicht aus einem Ort zu kommen, der in Bewegungsrichtung verschoben ist. Mit Messungen dieser Art konnte schon J. Bradley (1728) ziemlich genau die Lichtgeschwindigkeit bestimmen.

Aber in Hinsicht auf gravitative Fernwirkungen konnte eine solche Aberration bisher nicht festgestellt werden. Nach Van Flandern (PG 102) gibt es keine messbare Verzögerung für die Ausbreitung der Gravitation von der Sonne auf die Erde. Die effektive Gravitationskraft der Sonne kommt aus Richtung ihrer wahren gegenwärtigen Position, nicht aus einer durch Zeitverzögerung verschobenen Position, soweit man das mit sorgfältigen Beobachtungen feststellen konnte. Somit hat die Gravitation keine wahrnehmbare Aberration und keinen Poynting-Robertson-Effekt, die beide als wesentliche Indikatoren für eine begrenzte Ausbreitungsgeschwindigkeit gelten. Der Poynting-Robertson-Effekt resultiert aus dem Strahlungsdruck, den die Sonnenstrahlung auf interplanetare Materie ausübt. Wegen ihrer Eigenbewegung auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne erfahren alle Körper die von der Sonne seitlich eintreffende Strahlung als in einem kleinen Winkel schräg von vorne kommend, und werden deswegen durch den Strahlungsdruck abgebremst, d. h. ihr Bahndrehimpuls verringert sich. Während bei größeren Objekten wie den Planeten dieser Effekt vernachlässigbar ist, werden insbesondere die kleinen Partikel des Sonnenstaubs durch den Poynting-Robertson-Effekt beeinflusst. Durch den Drehmomentverlust werden ihre Bahnen um die Sonne immer enger, bis sie zu nahe an der Sonne sind und zerstört werden. Zurück zur Frage der Aberration: T. Van Flandern macht auf Bild 5 (PG 101) deutlich, dass die Schwerkraft die Erde in Richtung auf den momentanen wirklichen Ort der Sonne beschleunigt, und nicht in Richtung auf den Ort, von dem ihre jetzt im Teleskop angekommenen Lichtstrahlen ursprünglich ausgegangen waren.