3.8.2. Die explosive Absprengung peripherer Sternbereiche vom dichten Kern

Von den meisten Autoren des Sonderhefts "Gravitation" wird der Kollaps massereicher Sterne als wesentliche Ursache für Gravitationswellen genannt. Hierbei geht es zunächst um das Zusammenfallen des Kerns eines solchen Sterns, das dann von einer (Super-)Nova-Explosion gefolgt wird und am Ende zum Entstehen superdichter Sterne bis hin zum "Schwarzen Loch" beitragen kann. Ich will einen solchen Vorgang zunächst mit eigenen Worten wiedergeben, um erst danach wieder auf die Theorien und Modellentwicklungen der Potsdamer Astrophysiker zurückzukommen.

Um die genannten Vorgänge besser vermitteln zu können, muss ich kurz auf die schon diskutierte Frage zurückkommen, was aus den Gravionen wird, wenn sie in Kollision mit baryonischer Materie geraten sind. Gehen wir also wieder aus von einer isotropen Gravionenstrahlung, die aus allen Richtungen kommend auf einen massereichen Stern auftrifft. Ob die Gravionen dann von der Materie eher gestreut oder von ihr völlig absorbiert werden, könnte von physikalischen und letzthin sogar geometrischen Bedingungen abhängen: bei kleineren Körpern geringer Dichte könnte zunächst eher eine Streuung der Gravionen zu erwarten sein, während bei großen und schließlich riesigen Körpern die auf diese auftreffenden Gravionen mit einer immer größeren Absorption rechnen müssten und auf diese Weise zunächst immer stärker gravitativ wirksam würden. Aber was im Abschnitt über "Totale Abschirmung" zunächst noch als ein stetiger Prozess der zunehmenden Selbstverdichtung dargestellt wurde, läuft in der Regel gar nicht so komplikationslos ab. Es könnte nämlich von faktisch vorgegebenen Bedingungen abhängen, an welchen Stellen eines Sterns die Selbstverdichtung beginnt und ggf. plötzlich höchste Ausmaße erreicht.

Ich frage deshalb: gibt es vielleicht besonders naheliegende Lokalisierungen, sozusagen Prädilektionsstellen für die Absorption von Gravionen, und für eine dort verstärkte Verdichtung der Materie? Zwar bietet sich die äußere Oberfläche oder wenigstens Kugelschale eines sphärischen Körpers als erste Gelegenheit für Gravionen an, schon hier absorbiert zu werden, denn schon wir Menschen nehmen Gravionen oder zumindest Gravionenwirkungen auf. Aber wegen der hohen Durchlässigkeit aller normal festen Körper für Gravionenstrahlung können die Gravionen zu einem großen Anteil auch solide Körper völlig durchdringen. Auf dem Wege von der Peripherie zum Zentrum des Sterns werden die Gravionen von dessen weniger dichten Außenbereichen eher weniger, in seinem durch gravitativ bedingte Entmischung schon dichter gewordenen Kern dagegen stärker absorbiert. Das trägt zu einer noch zunehmenden Massenanreicherung und Verdichtung solcher Kernbereiche bei. Nachdem diese einmal begonnen hat, wird sie vom Zentrum ausgehend allmählich nach außen fortschreiten und den Kern insgesamt ausfüllen. Der dann im Unterschied zu den Schalenbereichen des Sterns stärker verdichtete Kern kann schließlich mehr oder weniger deutlich abgegrenzt sein gegenüber der weniger dichten Außenschale des Sterns, und diese Grenze könnte für einen großen Anteil der dort weiterhin ankommenden Gravionen zur Endstation werden: bis hierhin und nicht weiter! Wenn sie demzufolge schon in der obersten Schicht des hochverdichteten Kerns in hohem Ausmaß absorbiert werden, kommt es dort zu einem Gravionenstau, also zu einer lokalen Massenaufnahme und vor allem auch übermäßigen Energiezunahme und Wärmeentwicklung, schließlich zu einer maximalen Aufheizung. Ist eine solche Zone zwischen Innenkern und Außenmantel eines Sterns vielleicht der Bereich, an dem das katastrophale Auseinanderplatzen und Explodieren von großen Himmelskörpern beginnt und sogleich sein Maximum erreicht? Wo die gesamte Kugelschale vom Kern abgesprengt und dabei geschmolzen und verdampft und auf diese Weise völlig vom Kern getrennt wird, der dann nackt und extrem verdichtet als "Weißer Zwerg", Neutronenstern oder "Schwarzes Loch" übrig bleibt? Und wo die dabei freiwerdenden Energien mit maximal hoher Geschwindigkeit in den Weltraum abgestrahlt werden?

H.-Th. Janka, K. Kifonidis und E. Müller (Supernovae - Entdeckungsreise mit dem Computer, G 36 - 45) haben versucht, mit dem Computer die kernphysikalischen Prozesse nachzuzeichnen, "durch die der Eisenkern eines massereichen Sterns instabil wird und in sich zusammenstürzt, weil die Druckkräfte (H. Sch.: die bislang nach außen wirkten) seiner eigenen Gravitation nicht mehr Paroli bieten können. Der Kollaps stoppt erst, wenn (im Kern des Sterns) die Dichte von Atomkernmaterie erreicht ist und die Materie schlagartig inkompressibel wird. Dieser Moment markiert die Geburt eines Neutronensterns" (G 38). Die ursprünglich mit dem metallischen Eisenkern verbundenen silizium- und kohlenstoffreichen mittleren und die äußeren flüssigen und gasförmigen Schichten des Sterns sind an dem Gravitationskollaps des stellaren Kerns zum Neutronenstern nicht beteiligt: sie kollabieren nicht mit ihm, sondern expandieren von ihm weg.

Befassen wir uns nun noch etwas näher mit der Sternexplosion selbst und mit den energetischen Umsetzungen, die dabei eine Hauptrolle spielen, sowie mit den Strahlungsteilchen, die vielleicht nur in Prozessen mit derart hoher Energieerzeugung freigesetzt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass Supernova-Explosionen große Mengen von Neutrinos abstrahlen. Auch dieses Phänomen ist von den gerade genannten Autoren (G 42 -45) in ihrer Modellrechnung berücksichtigt worden. Ich gebe deren Darstellung der komplizierten Vorgänge, die dazu führen, dass ein massereicher Stern zu einer alles überstrahlenden Supernova wird, in eigenen Worten komprimiert wieder: Dieses Drehbuch beginnt, wenn der Kern des gerade kontrahierten Neutronensterns die freigewordenen Neutrinos in riesiger Zahl abgestrahlt hat und diese in einem Gebiet von nur etwa 100 km Radius in allerkürzester Zeit die restliche stellare Materie aufheizen. Sie pumpen dabei so viel Energie in das stellare Plasma, dass sie mit einer Stoßwelle alle weiteren Schichten des Sterns nach außen treiben und den Stern außerhalb des Neutronenkerns auseinander fliegen lassen. Schon zu diesem Zeitpunkt wird die relativ heißere Materie nach außen getragen, was die primäre Energieübertragung durch die Neutrinos noch verstärkt und zur Ausbreitung von Stoßwellen führt und schließlich in der Supernova-Explosion kulminiert. Offenbar werden beim Kollaps eines massereichen Sterns (oder genauer: von dessen Kern) ganz erhebliche Energien frei, welche die äußeren Schichten, also den Rest des Sterns, wenige Augenblicke später in einer gewaltigen Explosion zerreißen und auseinander fliegen lassen.

So hat sich nur Bruchteile einer Sekunde später die Stoßwelle bereits auf über 10.000 km vom Herd der Explosion entfernt. Dabei passiert sie, vom ursprünglichen Eisenkern und nunmehr Neutronenstern ausgehend, verschiedene Schichten, deren Bestandteile von ihr an den Schichtgrenzen durchmischt, aber keineswegs völlig homogenisiert werden. Die Autoren drücken dies so aus: "Sterne bersten nicht als Kugeln (H. Sch.: indem sie ihre Kugelschalen nur auseinander treiben), sondern zerfetzen wie Splitterbomben" (G 45). Zu diesem Vergleich ist noch anzumerken, dass im Falle der Supernova die Splitter nicht wie bei einer Bombe erst von der metallischen äußeren Hülle, sondern schon von den mittleren Schichten und sogar vom Rand des Kerns mitgerissen werden.

Derartige Sternexplosionen gehören zu den wichtigsten Untersuchungsobjekten der Astrophysik, z.T. auch in Kenntnis des Zustandes eines Sterns vor dem Eintreten eines solchen Ereignisses. So konnte herausgefunden werden, dass Doppelsternsysteme im Verlauf ihrer Entwicklung, sobald beide Komponenten eine Masse von mehr als zehn Sonnenmassen aufweisen, in der Regel nacheinander (!) als Supernovae explodieren und auf diese Weise dabei voneinander getrennt werden (B. F. Schutz, G 23). In diesen und anderen Fällen läßt dann der gewaltige Lichtausbruch den Stern für Wochen so hell wie eine ganze Galaxie erstrahlen. Das wirft die Frage auf: woher kommt die Energie, die sich in einer Nova- oder Supernova-Explosion so eindrucksvoll manifestiert? Denn dass dabei relativ plötzlich ungeheure Energien freigesetzt werden, feststellbar als elektromagnetische Strahlung von infraroter über Lichtstrahlung und ultravioletter Strahlung bis zur Röntgenstrahlung, aber auch als Ausstrahlung von Elektronen, Neutronen, Protonen und noch größeren oder aber auch noch kleineren Korpuskeln, kann als erwiesen gelten. Da liegt für uns die Frage nahe: Gibt es dabei auch, jedenfalls in den größeren dieser kosmologischen Ereignisse, eine Ausstrahlung von bisher im Stern absorbierten und nunmehr "freigewordenen" Gravionen, die schon von Anfang an mit ungeheurer Geschwindigkeit in den Raum ausgestoßen werden, und dann, wenn sie auf baryonische Materie treffen, Schwere bewirken? Bevor wir dieser Frage, vor allem in Hinsicht auf die Neutrinos, weiter nachgehen, sollen noch andere Arten stellarer Katastrophen dargestellt werden, denn auch von ihnen gehen ja, wie die Potsdamer Astrophysiker vermuten, Gravitationswellen aus, oder wie ich es lieber formulieren würde: Gravionenstrahlung.